Gottesgericht
es offenbar, sich alle möglichen Methoden auszudenken.«
Joe schaltete seinen Monitor aus und stand auf, um zu gehen. »Ja. Aber bei der Gesichtsverstümmelung gingen sie sehr direkt vor. Sie schnitten den Frauen einfach Nase, Ohren oder Lippen ab – oder auch alle drei.« Er zog die erste der beiden schweren Studiotüren auf.
»Igitt.«
Joe grinste. »Aber ich würde dich trotzdem noch attraktiv finden«, sagte er, während er rückwärts in dem Raum zwischen den beiden Türen verschwand und die innere hinter sich zufallen ließ.
10
Eine halbe Stunde später fasste Jane eine Telefonrunde über den Vorschlag einer Lobbygruppe zusammen, die irische Wirtschaftskreise vertrat. Es ging darum, Ostern jedes Jahr auf den gleichen Sonntag im April fallen zu lassen. Die Debatte hatte sich ziemlich aufgeheizt, und sie hatte sich zurücklehnen und die Anrufer sich selbst überlassen können. Als schließlich aber vier Leute gleichzeitig redeten, wurde es schwierig, die vorgetragenen Argumente noch zu verstehen, deshalb griff sie ein, führte das Thema zu einem Abschluss und machte eine Pause. Das Studiotelefon auf dem Tisch neben ihr läutete sofort.
»Orhun wird nicht reden.« Es war Joe. »Nicht einmal inoffiziell. Ich habe den Eindruck, man will die Sache herunterspielen.«
»Werden sie wenigstens eine Erklärung abgeben?«
»Nein. Alles in diese Richtung wird direkt aus Ankara kommen. Das EU -Präsidentschaftsbüro hier hat allerdings eine Erklärung veröffentlicht. Ich bringe sie dir runter.«
»Und einen Kaffee, bitte, Joe, wenn es dir nichts ausmacht.«
Demir Orhun, Presseattaché bei der türkischen Botschaft, war im Januar in Dublin eingetroffen, etwa zu der Zeit, da Jane angefangen hatte, Wade’s World zu präsentieren. Er hatte die Pressevorführung der Sendung besucht, sie hatten sich gut verstanden und seitdem ein paar Mal getroffen, um Ideen für die Sendung beim Lunch und einmal bei einem Abendessen zu besprechen. Deshalb machte die Art, wie er jetzt abtauchte, keinen Eindruck auf sie.
Joe traf kurz darauf ein, und während ein vor ihrem Urlaub aufgezeichnetes Interview mit dem Herausgeber einer neuen Essenszeitschrift abgespielt wurde, trank Jane ihren Kaffee und las die Verlautbarung der EU .
»Im Namen aller EU -Mitgliedstaaten, die sich in dieser Woche in Dublin versammeln, verurteilen wir die Geiselnahme in Istanbul und rufen zu ihrer sofortigen Beendigung auf. Die Drohung, den Geiseln Gewalt anzutun, hat in der internationalen Gemeinschaft Abscheu hervorgerufen. Kein Anliegen rechtfertigt die Gefangennahme oder Folter unschuldiger Menschen.
Die Hagia Sophia ist als Weltkulturerbe der UNESCO der Regierung und dem Volk der Türkei im Namen der gesamten Menschheit anvertraut. Sie für eine bestimmte Religion oder Nationalität zu reklamieren ist vollkommen inakzeptabel.«
Das Statement war im Namen der EU -Präsidentschaft von der Pressebeauftragten Maura Hendrick herausgegeben worden. Jane war schon im Begriff, das Dokument in den Papierkorb zu werfen, ohne es in der Sendung vorzulesen, aber stattdessen strich sie es wieder glatt und las es noch einmal.
»Hol mir Maura Hendrick ans Telefon«, sagte sie über die Studioleitung zu Ali und schwenkte das Papier. »Sag ihr, ich will vor Ende der Sendung mit ihr darüber reden.«
Zum Ende des aufgezeichneten Beitrags stand die Pressereferentin bereit. Nach einer weiteren Werbepause verkündete Jane, die EU habe eine Verlautbarung herausgegeben. Sie las sie vor und sagte dann: »Maura Hendrick vom Pressebüro der EU ist am Telefon. – Maura, auf den ersten Blick scheint es sich um eine Standardreaktion in einer Situation wie dieser zu handeln. Aber am Ende fällt eine merkwürdige Wortwahl auf: ›Sie für eine bestimmte Religion oder Nationalität zu reklamieren ist vollkommen inakzeptabel.‹ Nichts an den Informationen, die wir heute Morgen aus Istanbul erhalten haben, lässt darauf schließen, dass ›Nationalität‹ bei dem Ganzen ein Thema sein könnte. Deshalb hier meine Frage: Repräsentiert die Belisarius Brigade ein Land in der Region oder anderswo? Verfügen Sie über Informationen, die wir nicht bekommen haben?«
»Ich glaube nicht, dass irgendeine Absicht …«
»Gibt es solche Informationen, Maura?«
Hendrick hustete kurz. »Die Hagia Sophia ist ein sehr heikles Thema beim türkischen Volk, und wir müssen in unserer Herangehensweise äußerst vorsichtig sein. Es wäre unklug von mir, der offiziellen Verlautbarung noch etwas
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