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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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    Viele Grüße von Lucia,
    Giuseppe
    Jane lächelte. Der Vorwurf »okkulter Praktiken« war übertrieben, doch Aberglaube gehörte zu der Gegend genauso wie die Loricato-Kiefer, die an den Berghängen wuchs.
    In diesem Moment legte Ali das Telefon beiseite, und Jane winkte sie zu sich. Ali hatte die Rolle des Executive Producers für den täglichen Programmplatz von zehn bis zwölf von Jane übernommen, aber Jane hatte redaktionell weiter das letzte Wort, und das war eine der Gelegenheiten, bei der sie Gebrauch davon machen wollte.
    »Du musst mit Weltuntergangsfanatikern vorsichtig sein«, sagte sie. »Sie hören nicht auf zu reden, und sie sind schlicht todlangweilig.« Jane war von dem Argument selbst nicht unbedingt überzeugt, aber sie nutzte die Angst aller Radioschaffenden davor aus, dass ein Thema »langweilig« war, damit Ali es sich in Zukunft zweimal überlegte, ob sie einen fanatischen Propheten des Armageddon zu ihr durchstellte. Sie hätte ihr auch einfach mitteilen können, dass es ihr bei diesen Leuten kalt über den Rücken lief, aber das hätte irrational geklungen.
    Ali biss sich auf die Unterlippe und nickte. »Du hast ja so recht. Sie hat mir gerade die Ohren vollgequatscht. Sie rief an, um sich zu beschweren, dass sie nicht lange genug auf Sendung war. Und dann hat sie mich in einem fort mit diesen Prophezeiungen bombardiert.«
    Jane lachte. »Und jetzt kriegst du es auch noch von mir ab. Du Arme.«
    Ali lächelte. »Schon gut. Zeit für die Besprechung?«
    Das Team der Sendung war geschrumpft, seit Jane nicht mehr Executive Producer war. Das lag zum Teil an Kürzungen beim Sender, zum Teil daran, dass Jane ihre Fähigkeiten als Produzentin weiter einbrachte. Außer Ali und Joe gehörte nur noch die Sendeassistentin Laura Moore fest zum Team. Sie kamen gerade aus der Besprechung, als Joe ihnen mitteilte, in den Dreizehn-Uhr-Nachrichten gebe es eine Eilmeldung zum Geiseldrama aus Istanbul. Er stellte es laut, und sie standen da und lauschten.
    »… hat die Regierung in Ankara soeben ihre Antwort auf die Forderungen der Belisarius Brigade bekannt gegeben, drei Stunden vor Ablauf der von den Terroristen gesetzten Frist. Ihr Statement lautet: ›Als NATO -Mitglied und im Einklang mit der international üblichen Praxis verhandeln wir nicht mit Terroristen und geben ihren Forderungen nicht nach. Nicht nur verurteilen wir das Vorgehen der sogenannten Belisarius Brigade, sondern wir werden uns ihrem Versuch nicht beugen, die Regierung und das Volk der Türkei zu erpressen, denen es bisher gelungen ist, religiöse Zwistigkeiten über die vielen historischen Stätten unseres kulturellen Erbes zu vermeiden.‹ – Es hat in der Vergangenheit Vorschläge gegeben, die Hagia Sophia für religiöse Zwecke zu öffnen, und nach dem EU -Beitritt der Türkei wird das Direktorium für religiöse Angelegenheiten Vertreter von Christen und Moslems zu einem Gespräch über das Thema einladen, aber nur auf der Grundlage, dass das Museum, sollte es jemals entsäkularisiert werden, von beiden Glaubensgemeinschaften geteilt wird.«
    Joe schaltete das Radio aus. »Das wird nicht funktionieren«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    Jane dachte kurz darüber nach. »Es ist aber eine Veränderung ihrer Haltung. Vielleicht wird es die Terroristen ein wenig milder stimmen.«
    »So weit, dass sie sich überreden lassen, einige Geiseln freizulassen?«, fragte Ali.
    »Das werden wir abwarten müssen«, sagte Jane und sah zu der Uhr, die von der Decke hing. »Um vier werde ich mit den Kindern zu Hause sein, falls ich also gerade irgendwie mit ihnen beschäftigt bin«, sie sah Joe an, »kannst du mir vielleicht Bescheid sagen, was sich tut.«
    Sie kehrte an ihren Schreibtisch zurück und ging den Rest ihrer E-Mails durch, druckte einige aus und behielt eine Handvoll, die beantwortet werden mussten. Unter ihnen war die knappe Mitteilung von Liam Lavelle, die sie am Abend zuvor gelesen hatte. Doch anstatt zu antworten, beschloss sie, mit Lavelles Schwester Mary Kontakt aufzunehmen, bei der er wohnte, wie er schrieb. Sie hatte keine Nummer, wusste aber, dass sie und ihr Mann in Portmarnock ein Pub namens Silver Dolphin geführt hatten. Sie sah die Nummer nach und rief an. Ein Barkeeper meldete sich und stellte sie zum Wohnhaus durch, wo eine Frau an den Apparat kam.
    »Hallo, ist dort Mary?«
    »Die ist nicht da. Mit wem spreche ich bitte?«
    Jane wurde bewusst, dass es wahrscheinlich eine von Lavelles inzwischen erwachsenen

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