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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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öffnen. Deshalb gebe ich Ihnen den zweiten Schlüssel.«
    Pfarrer Kamarda hatte sich nun ernsthaft Sorgen gemacht. Bua redete Unsinn. Aber bevor er versuchen konnte, ihm zu entlocken, wovon er überhaupt sprach, hatte Bua auf dem Absatz kehrtgemacht und war gegangen.
    Jetzt war natürlich alles klar. Umso mehr, da er die Briefe gelesen hatte.
    Es waren insgesamt sechs Stück, alle noch in ihren Kuverts, sodass er sie anhand der Poststempel ordnen konnte. Der erste war im vergangenen September eingetroffen. Als Kamarda das Schreiben aus dem Kuvert zog, fiel ein Zeitungsausschnitt heraus. Es war eine kleine Annonce in der Sprache der Arbëresh und musste also aus einer der Zeitungen stammen, die in den albanischen Gemeinden Süditaliens zirkulierten.
    Führender neapolitanischer Kunsthändler sucht historische Artefakte albanischen Ursprungs.
    Viele Angehörige der Arbëresh-Gemeinden in der Basilikata, in Kalabrien und Molise sind Nachfahren der albanischen Diaspora, die nach der ottomanischen Eroberung im 15. Jahrhundert begann. Diese Flüchtlinge, Laien wie Geistliche, brachten häufig Devotionalien, insbesondere Ikonen mit, die noch aus der Zeit vor dem Fall Konstantinopels stammen. Wenn Sie, als Einzelperson oder als Gemeinde, im Besitz eines solchen Objekts sind, wissen Sie möglicherweise nichts von seiner Herkunft, seiner kunstgeschichtlichen Bedeutung oder seinem finanziellen Wert. Wir bieten ausgewählten Klienten eine kostenlose und diskrete Wertbestimmung an.
    In der Annonce war die Nummer eines Postfachs angegeben, an das man ein Foto des zu schätzenden Gegenstands zusammen mit einem kurzen Bericht der bekannten Geschichte schicken sollte.
    Bua hatte offensichtlich ein Foto der Ikone eingeschickt, denn in dem Brief mit der ausgeschnittenen Anzeige dankte man ihm für die Zusendung und versprach zu gegebener Zeit eine vollständige Antwort. Der Briefkopf lautete: La Galleria d’Arte Antica , unterzeichnet hatte eine Natalia Flamigni. Es gab jedoch keine weiteren Kontaktangaben.
    Kamarda wunderte sich, was Bua dazu getrieben hatte, mit dem Kunsthändler Kontakt aufzunehmen, aber er nahm an, es hatte mit der seelischen Verfassung nach dem Tod seiner Tochter zu tun, der etwa um diese Zeit passiert war. Es wäre nicht schwer für ihn gewesen, ein Foto der Ikone zu machen, da er de facto der Hausmeister der Krypta war und häufig Kamardas Schlüssel im Pfarrhaus abholte, weil er dieses oder jenes dort tun musste.
    In ihrem zweiten Brief informierte Natalia Flamigni Bua, dass die Ikone sehr alt und möglicherweise wertvoll zu sein schien; für eine vollständige Beurteilung müsse das Artefakt selbst jedoch von einem Experten untersucht werden. Diesem Brief nach schien Bua vorsichtig darin gewesen zu sein, der Händlerin gewisse Einzelheiten mitzuteilen und sie sogar bezüglich des Aufenthaltsorts der Ikone in die Irre geführt zu haben, denn sie sprach in dem Brief von dem nahen, ähnlich klingenden Ort Colobraro statt von Collalba. Sie wies auch darauf hin, dass Bua nicht erklärt habe, ob er der Eigentümer der Ikone war oder in einer Position, Verhandlungen sie betreffend zu führen.
    Was diesen letzten Punkt anging, schien er sie jedoch zufriedengestellt zu haben, denn in ihrem nächsten Brief schrieb sie, die Galerie würde in Kürze ein Team von Schätzern in die Region schicken und ihn darüber informieren, wohin er die Ikone bringen sollte. Oder, falls ihm das lieber sei, könne sie auch arrangieren, dass einer von ihnen nach »Colobraro« fahre und sie dort ansehe.
    Bua musste an diesem Punkt in Panik geraten sein und einen Rückzieher gemacht haben, denn die nächsten beiden Briefe waren beinahe gleichlautende Appelle an ihn, sich zu melden. Auch eine Spur Frustration – oder war es Verzweiflung – hatte sich eingeschlichen. Flamigni schrieb, das Foto, das er geschickt habe, sei nicht optimal, und fragte, ob er eine bessere digitale Version schicken könne, und sie fügte an, damit ließe sich die Ikone vielleicht provisorisch beurteilen, bis sie zu einem zukünftigen Termin richtig untersucht werden konnte. Pfarrer Kamarda wusste, dass Bua keinen E-Mail-Account hatte, weshalb es unwahrscheinlich war, dass er ihr das gewünschte hochwertige Foto geschickt hatte.
    Was den letzten Brief umso erstaunlicher machte. Darin informierte die Kunsthändlerin Bua, die Ikone würde, sollte sie sich als echt herausstellen, wahrscheinlich im Bereich von etwa dreihunderttausend Euro liegen. Sie schrieb sogar,

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