Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
Karatay wusste sehr gut, dass am türkischen Ende jemand durchaus das Gespräch überwachen konnte.
    »Was ist in unserer Welt schon normal, hm?«, ließ Orhun Karatays Versuch, ihn zu erschüttern, ins Leere laufen.
    »Da hast du recht. Und was sagst du zu der neuesten Entwicklung? Russland eilt den heiligen Mönchen auf Athos zu Hilfe. Lenin muss sich im Grab umdrehen.«
    »Jetzt hast du mich auf dem falschen Fuß erwischt, Ersin. Davon habe ich in den Zeitungen nichts gesehen.«
    »Du meine Güte, Demir – Zeitungen, ja? Wach auf, Mann.«
    »Zeitungen zu lesen gehört zu meinem Job. Also, erzähl, was los ist.«
    »Goliath hat David befohlen, die Mönche nicht länger einzuschüchtern. Sie sagen, Athos ist ein Zentrum christlicher Spiritualität, mit dem sie schon in vorsowjetischer Zeit verbunden waren. Dass es unter den Ottomanen im 15. Jahrhundert beinahe ausgelöscht wurde und ohne finanzielle Hilfe aus Russland nicht überlebt hätte. Also lasst sie in Ruhe, sagen sie, sonst bekommt ihr es mit uns zu tun. Ist das zu fassen?«
    »Dass Russland und Israel wegen eines Außenpostens griechischen Klosterlebens die Klingen kreuzen? Auf die Idee wäre ich nie gekommen.«
    »Aber ist das nicht genau die Sorte von Nebenthema, das einen größeren Konflikt auslösen könnte? Wie die Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand durch einen serbischen Terroristen 1914? In Sarajewo, ausgerechnet. Dann kommen all die schwelenden Feindseligkeiten an die Oberfläche, die Militärbündnisse greifen, und dann – bum, bum, bum – ein Gemetzel von bis dahin unvorstellbarem Ausmaß.«
    »Immer langsam, Ersin. Wir im diplomatischen Dienst werden dafür bezahlt, uns mögliche Szenarien vorzustellen, nicht dafür, uns davon hinreißen zu lassen.«
    »Merk dir, was ich gesagt habe. Also, wo waren wir?«
    »Du solltest dich mit den neuesten Informationen über die Belisarius Brigade und ihre, sagen wir, Nebenthemen bei mir melden.«
    »Ja, richtig. Was ich bisher in Erfahrung bringen konnte, ist, dass unser geliebter militärischer Geheimdienst glaubt, die Brigade würde unter falscher Flagge operieren …«
    »Wirklich? Zwei Wochen sind vergangen, und das ist alles, was unser Geheimdienst ans Licht bringt?«
    »Lass mich doch erst einmal ausreden, okay?«
    »Ah, es kommt noch mehr. Das ist gut.«
    »Natürlich kommt noch mehr. Wie wir von den Geiseln wissen, bestand die Bande – fünf Männer und zwei Frauen, übrigens – aus Angehörigen verschiedener Nationalitäten. Der türkische Nachrichtendienst MIT sagt, der Anführer ist ein türkischstämmiger Amerikaner, der sich mit einem der Wachmänner angefreundet und ihn davon überzeugt hat, sie seien militante Islamisten, die erreichen wollten, dass die Hagia Sophia in eine Moschee zurückverwandelt wird.«
    »Was, wie wir inzwischen wissen, auf ihrer Prioritätenliste ganz weit unten stand, falls es überhaupt je drauf war. Was für einen Zweck haben sie dann aber tatsächlich verfolgt? Wissen wir das?«
    »Außer den Nahen Osten und den Mittelmeerraum zu destabilisieren, meinst du? Ich bin jetzt natürlich sarkastisch. Tatsächlich scheint es mir nun so, als stünden die scheinbaren Kleinigkeiten in Zusammenhang mit dem größeren Ziel dieser Leute. Schau dir nur an, wie dieser Schutzbrief Mohammeds plötzlich damit verknüpft ist. Und unter uns gesagt hängt da mehr dran, als man aus den Berichten erfährt.«
    »Wirklich?«
    »Ja, und ich darf unter gar keinen Umständen darüber reden. Topsecret, verstehst du. Weshalb ich es dir erzähle.«
    Orhun lachte. Karatay setzte sich gern über gewisse Beamte hinweg, mit denen er in der staatlichen Nachrichtenagentur arbeitete – und fürchtete sie zugleich. In ihrer Nähe war es für schwule Männer wie Ersin am besten, sie behielten ihre sexuelle Orientierung für sich. In gewisser Weise waren sie beide Außenseiter – als Journalist bei einer liberalen Tageszeitung war Orhun oft kritisch gegenüber dem offiziellen Sprachrohr des Staates gewesen. Und auch wenn er sich nun vom Bock zum Gärtner gewandelt haben mochte, wurde er nicht unbedingt warm mit bestimmten Offiziellen.
    »Ich bin nicht so töricht, es dir rundheraus zu sagen, Demir, du wirst also zwischen den Zeilen lesen müssen. Ich nehme an, du hast dich schlaugemacht, was das Ahdname ist?«
    »Ja. Was können sie nur wollen mit ihm?«
    »Mit ihnen . Es gibt mindestens zwei Kopien. Anscheinend wollten sie aus irgendeinem Grund, dass die ägyptische und die griechische Version

Weitere Kostenlose Bücher