Gottesgericht
verglichen werden.«
»Deshalb benutzen sie die ägyptische Geisel als Druckmittel, um Zugang zu dem Dokument im Katharinenkloster zu erhalten.«
»Ja. Und dazu gehörte, dass die ägyptische Regierung die Zustimmung des Abts bekommen musste.«
»Und was ist mit Athos?«
»Da gab es kein Problem. Vermutlich, weil sie bereits einen Fuß in der Tür haben. Mit diesem Parusie-Kloster, meine ich.«
»Wirklich? Nur dass das gar nicht das Kloster ist, das die Kopie des Ahdname hat. Und sie sind alle unabhängig voneinander, vergiss das nicht.«
»Du hast deine Hausaufgaben aber wirklich gemacht, Demir.«
»Ein bisschen. Ich weiß außerdem, dass es Frauen nicht erlaubt ist, einen Fuß auf Athos zu setzen.«
»Ein nur von Männern bewohntes Land. Was für eine entzückende Aussicht.«
»Ich erwähne das, weil du von zwei Frauen in der Bande gesprochen hast. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass sie auf der Halbinsel gelandet sind.«
»Da könntest du recht haben.«
»Aber wenn wir Türken schon halb überzeugt sind, dass sie dort an Land gegangen sind, wer kann es dann den Israelis verübeln, wenn sie es ebenfalls glauben?«
»Demir. Hast du gehört, was ich sagte?«
Orhun dachte kurz nach. »Oh. Sie sind also nicht auf Athos. Bist du dir sicher? Aber warum …«
»Vielleicht wollen wir, dass die Israelis es glauben.«
»Ich kann dir nicht folgen, Ersin.«
Karatay seufzte. »Wir haben Geheimdienstmaterial von den Vereinigten Staaten bekommen. Sobald die Bande an Bord des Hubschraubers gegangen war, wurden ihre Bewegungen von einem Spionagesatelliten überwacht. Einer der Vorzüge davon, dass wir in der NATO sind.«
»Wo sind sie dann jetzt? Und warum unternehmen wir oder die Vereinigten Staaten nichts?«
»Am Tag, nachdem sie auf der Insel landeten, wurde die Bande von einem Schiff abgeholt – und ich rede von einem Schiff, das fünfzig und mehr Passagiere und Besatzung aufnehmen kann. Man versteht, warum sie so viel Geld von uns erpressen mussten, nicht wahr? Jedenfalls haben sich die Amerikaner in das AIS des Kahns eingeklinkt …«
»Wofür steht das?«, unterbrach Orhun.
»Automatic Identification System. Es ist für größere Schiffe vorgeschrieben und liefert alle möglichen Informationen wie aktuelle Position und Bestimmungsort. In diesem Fall zeigte es, dass das Ziel der Sueskanal war, genau auf der anderen Seite des Mittelmeers. Freie Durchfahrt durch den Kanal war offenbar ein Bestandteil des Abkommens, das die Bande mit der ägyptischen Regierung ausgehandelt hat. So, ich habe es dir gesagt. Puh.«
»Durch den Sueskanal. Aber warum sollten …« Ein Bild der wie eine Pfeilspitze geformten Sinaihalbinsel auf der östlichen Seite des Kanals tauchte vor Orhuns geistigem Auge auf. »Ich verstehe – sie wollten zum Katharinenkloster.«
»Mit einer Paläografin an Bord, die Mohammeds Schutzbrief untersuchen sollte. Eine Amerikanerin offenbar, und sehr geachtet auf ihrem Gebiet.«
»Aber wieso per Schiff? Wieso haben sie die Wissenschaftlerin nicht einfach zum nächsten Flughafen geflogen?«
»Hm. Gute Frage. Vielleicht lässt es sich auf diese Weise besser geheim halten. Jedenfalls sind sie vor einer Woche im Hafen El-Tor vor Anker gegangen und wurden zuletzt am Freitag beobachtet, als sie den Golf von Sues wieder hinaufgefahren sind. Sie waren also auf dem Sinai, praktisch vor der Nase der Israelis.«
Orhun war baff. Er musste das, was ihm Karatay gerade erzählt hatte, in einen größeren Zusammenhang bringen. »Nur um zu sehen, ob ich recht verstanden habe – die ganze Zeit, in der die Israelis nach Norden, in Richtung Türkei gedampft sind, waren die Terroristen auf dem Weg nach Süden, nach Ägypten? Und wir wussten es? Das ergibt keinen Sinn, Ersin. Von allem anderen abgesehen hätten es die Amerikaner den Israelis gesagt. Es wäre eine perfekte Gelegenheit für sie gewesen, die Bande aus dem Wasser zu fischen.«
Karatay hüstelte nervös. »Aber verstehst du denn nicht, in welch heikler Lage wir waren? Ägypten ist einer unserer engsten Verbündeten im Nahen Osten, wohingegen die Beziehungen zu Israel bestenfalls frostig sind. Kairo wusste, sobald die Israelis herausfinden würden, was lief, würden sie das Schiff der Bande sofort angreifen, selbst wenn es den Sueskanal schon erreicht hätte. Und das hätte zu einem Krieg zwischen zwei alten Feinden, zur Schließung des Kanals und zu einer schwerwiegenden Unterbrechung der Ölversorgung des Westens führen können. Die Tatsache, dass
Weitere Kostenlose Bücher