Gottesopfer (epub)
verrückt. Wahrscheinlich hatte er schon einmalirgendjemanden vor ihr hier eingesperrt. Wen? Und was war mit dieser Person passiert? Hatte sie fliehen können oder �
Lina beschloss zu handeln.
»Okay, also wenn es so ist, wie du denkst, dann würde ich vorschlagen, du machst mich hier los, und wir heiraten. Wird ja langsam Zeit nach drei Jahrhunderten, oder? Aber vorher würde ich gerne etwas essen«, sagte sie sanft.
Er sah sie liebevoll an, dann näherte er sich ihr langsam. Sie wich zurück und befürchtete das Schlimmste, aber er gab ihr nur einen Kuss auf die Wange und stand dann auf.
»An wen hast du gedacht, als du gesagt hast, du wärst in mich verliebt?« Plötzlich war sein Ton schärfer.
Lina hatte an Pater Dominik gedacht. Er hatte die gleiche Statur wie Herr Lange, war ebenfalls groà und schlank und hatte, das erkannte sie jetzt, sogar fast die gleichen Augen. Was sollte sie sagen? Sie suchte nach Worten, nach einer Erklärung, doch er winkte ab.
»Ich weià es auch so. Ja, Pater Dominik war wirklich ein überaus gut aussehender Mann. Ein Mann zum Verlieben, wenn er nicht das heilige Gelübde abgelegt hätte. Oder vielleicht fandest du ihn gerade deshalb so interessant? Er war so unerreichbar. Aber, meine Geliebte, er war der falsche Mann, und es war die falsche Zeit. Er wird uns jetzt nicht mehr im Wege stehen.«
Die Tür fiel ins Schloss, und der Riegel wurde wieder vorgeschoben. Dann herrschte Stille. Linas Kopf schwirrte. Woher wusste er, wer Pater Dominik war? In ihrem Inneren kannte sie die Antwort jedoch bereits, die verblüffende Ãhnlichkeit sagte alles. Doch warum hatte er gesagt, er war ein gut aussehender Mann? Das Wort bohrte sich in ihren Kopf, sie hörte es immer wieder, als hätte eine Schallplatte einen Sprung und sei an einer Stelle hängen geblieben. War, war, war, war â¦
Nein, schrie sie lautlos. Bitte nicht!
56
Sam hatte noch von der Klinik aus bei Gina Geiger angerufen und sie gebeten, ihr die Telefonnummer von Yvonne Reimers zu geben, der Frau, die Irene Geiger kurz vor ihrem Verschwinden und ihrem grauenhaften Tod zusammen mit einer jungen Frau gesehen hatte. Vielleicht war die junge Frau ja die rätselhafte Patientin in der Klinik? Vielleicht waren sie und Irene Geiger zusammen verschleppt worden, und während der Mörder Frau Geiger gleich umgebracht hatte, hatte er die andere Frau am Leben gelassen. Er rief bei Yvonne Reimers an und bat sie, ihn in einem Café zu treffen.
Er war ein wenig zu früh, und so saà er in dem kleinen Café in Eppendorf und dachte über Lina nach, während er in seinem Espresso herumrührte. Er spürte, dass sie in Gefahr war, und seine Hilflosigkeit brachte ihn fast um den Verstand. Er hatte keine Ahnung, wo er ansetzen sollte. Nur eines wusste er: Lina war angeblich ein Medium. Und was das hieÃ, wollte er sich gar nicht ausmalen.
Aber wer war der Mörder? Inzwischen glaubte Sam nicht mehr, dass es Pater Dominik war. Natürlich, es sprachen einige Fakten gegen ihn. Der Junge aus dem Kloster hatte merkwürdige Augen, und auch Pater Dominik hatte sehr auffällige grünblaue Augen, wie Sam wieder eingefallen war. AuÃerdem hatte der Pater für keine der Mordnächte ein Alibi, die Bibeln stammten aus seiner Gemeinde, er war zum Exorzisten ausgebildet worden und war immer in der Stadt gewesen, in der die Morde passiert waren. Doch auf der anderen Seite hatte das Ãberwachungsteam vor der Kirche in Winterhude ihm gesagt, dass der Pater das Pfarrhaus seit Tagen nicht verlassen hatte. Er konnte Lina also nicht entführt haben.
»Sind Sie Sam OâConnor?«
Eine schlanke Frau, vielleicht Ende vierzig, in einem schwarzenknielangen Mantel, schwarzen Seidenstrümpfen und schwarzen hochhackigen Schuhen stand plötzlich vor ihm und riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.
»Ja. Frau Reimers?«
Die Frau nickte, und Sam zeigte auf einen Stuhl neben sich. »Setzen Sie sich doch, bitte.«
Frau Reimers nahm, ohne den Mantel auszuziehen, Platz. Sie hatte bereits am Telefon gesagt, dass sie nicht viel Zeit hatte, und das demonstrierte sie nun in aller Deutlichkeit. Gut, dachte Sam, dann machen wir das eben im Schnelldurchlauf. Er zeigte ihr das Foto in seinem Handy.
»Kennen Sie diese Frau? Ist das die Frau, mit der Sie Irene Geiger gesehen haben?«
Yvonne Reimers nahm das Handy in ihre Hand und strich sich mit
Weitere Kostenlose Bücher