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Gottessoehne

Gottessoehne

Titel: Gottessoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyra Reeves
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Stimme erklang, und obwohl seine jungen Ohren diese Stimme das erste Mal in sich aufnahmen, wusste er sofort, dass es Semjaza war, der dort rief. Wie oft hatte ihn seine Stimme im Geist erreicht, um ihm Anweisungen zu geben oder auch nur um sich mit ihm auszutauschen. Seine irdische war der himmlischen sehr ähnlich, tief und machtvoll. Semjaza forderte die Grigori auf, zusammen zu bleiben und weiter die Umgebung zu erkunden. Samsaveel kehrte zur Gruppe zurück und gemeinsam marschierten sie weiter.
    Das Zusammenspiel von Muskeln, Sehnen und Nerven wurde mit der Zeit immer besser, so dass aus den vorher eher ungelenken Schritten der Grigori mehr und mehr geschmeidige Bewegungen wurden. Ihre neuen Körper waren ausdauernd, ausdauernder als gewöhnlich menschliche, und so konnten sie ihren Marsch stundenlang und ohne Unterbrechung fortsetzen.
    Ein Schatten durchzog Samsaveels oberes Blickfeld und er schaute gen Himmel. Ein Adler drehte seine Kreise. Mühelos und ohne einen einzigen Schlag seiner Flügel schwebte er durch die Luft. Fasziniert beobachtete Samsaveel den Vogel und ein sehnsuchtsvolles Verlangen überkam ihn, gepaart mit einer Prise Bedauern.
    Schließlich gelangten sie an den Rand einer Graslandschaft, die sich weit bis zum Horizont zog. Semjaza erhob die Hand. Vor ihnen, umgeben von wogendem grünbraunem Gras, äste eine Herde Gazellen. Die Tiere hoben ihre Köpfe, sahen zu den Wächtern, ließen sich jedoch nicht stören und fingen wieder an, Gras zu rupfen.
    Sie haben gar keine Angst vor uns, ging es Samsaveel durch den Kopf. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete die Herde. Da sah er es. Jedes Tier war von einem bunt schimmernden Lichtschein umgeben. Er konnte es also immer noch. Er hatte noch immer die Fähigkeit, die Aura eines jeden Lebewesens zu lesen, selbst in diesem physisch begrenzten Körper.
Wie wunderschön die Fülle der Natur ist und dabei erwartet uns noch das größte Wunder.
    Sie durchschritten die Grasebene. Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen und das Sonnenlicht wich der Abenddämmerung.
    Auf einmal hörten sie Stimmen, menschliche Stimmen, wie sie erkannten, da diese ihren Geist schon vor ihrer Materialisierung berührt hatten. An einem Bach knieten fünf Frauen und füllten ihre tönernen Krüge mit frischem Wasser. Als sie die Grigori bemerkten, sahen sie auf und ließen vor Schreck die Krüge fallen. Spitze Schreie ausstoßend stoben sie davon.
    »Lauft nicht weg, wir tun euch nichts«, rief der zweite Anführer Azazel. »Wir haben friedliche Absichten, kommt zurück! Wir wollen nur mit euch reden.« Samsaveel trat zu Azazel. »Anscheinend wirken wir auf sie furchteinflößend. Wir sollten versuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen.« Azazel nickte kurz und kletterte den kleinen Abhang hinab, der zu dem Bach führte. Doch dann wurden seine Bewegungen zögerlich und er musterte den Bachlauf misstrauisch. Wieder gesellte sich Samsaveel zu ihm und meinte in beruhigendem Ton: »Das ist nur Wasser. Ich konnte es auch nicht einordnen, als ich es das erste Mal gesehen habe. Aber es ist nur Wasser, lebensspendendes Wasser.« »Das weiß ich auch«, zischte Azazel. Das Gesicht des schwarzhaarigen Grigori wurde für den Sekundenbruchteil von Zorn verzerrt, um dann wieder die Maske perfekter männlicher Schönheit anzunehmen. »Wir warten hier. Sie werden bald zurückkommen, da bin ich mir sicher.«
    Kurze Zeit später traten ein Dutzend Männer und vier Frauen aus dem gegenüberliegenden Wäldchen und positionierten sich am Ufer des Baches. Ihre Haut war leicht gebräunt und sie trugen ihr schwarzes, lockiges Haar offen bis zu den Schultern, bis auf eine Frau, deren rotblonde Locken regelrecht wie ein Leuchtfeuer aus der Gruppe herausstachen. Sie hatte ein ebenmäßiges, noch kindlich wirkendes Gesicht, in dem volle Lippen ein Lächeln erstrahlen ließen, und ihr junger Körper zeigte unter dem Kleid eindeutige weibliche Kurven. Neben dem Mädchen stand ein junger Mann mit ernstem Gesicht. Er mochte so um die zwanzig Jahre alt sein. Sie waren alle in schlichte, bodenlange Leinengewänder gekleidet, um die Taille einen aus Grashalmen geflochtenen Gürtel. Plötzlich wusste Samsaveel, warum ihr Anblick die Frauen so erschreckt haben musste, sie waren nackt, im Gegensatz zu den Menschen am Ufer gegenüber.
    Ein alter Mann mit ergrautem Haar und tiefen Furchen um Augen und Mund löste sich aus der Gruppe, kam einen Schritt näher und hob seine Arme, auf denen er Tücher und Decken trug.

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