Gottessoehne
mit einem leichten Aroma von Erde und prickelte auf der Zunge. Es war Wein. Wein, ein Getränk, dessen Herstellung dem Menschen bis dahin noch unbekannt war.
Der alte Mann, der sie heute Nachmittag als erster begrüßt hatte, erhob sich mit einem verzückten Blick und fragte Semjaza: »Was ist das für ein Getränk? Habt ihr dieses aus eurer Heimat hier her gebracht?«
Semjaza warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. »Dies ist ein Geschenk an euch. Ihr alle seid so großzügig und gastfreundlich und ich bitte euch dieses kleine Geschenk von mir anzunehmen. Bei Gelegenheit werde ich das Geheimnis der Herstellung dieses schmackhaften Saftes verraten. Nun aber trinkt und genießt es.« Er hob den Becher, nickte in die Runde und kippte den Wein mit einem Zug hinunter. Die anderen taten es ihm nach, nur Samsaveel hielt sich zurück und ließ seine Augen beunruhigt über die Menge schweifen. Er stutzte, als er bemerkte, wie Noah und seine Frau die Becher voller Wein sinken ließen, um sie dann möglichst unauffällig hinter sich zu stellen. Noahs junge Schwester hingegen, stand neben ihrem Bruder, führte das Trinkgefäß zu ihrem Mund und trank es in einem Zug leer. Dann strich sie sich mit dem rechten Handrücken über ihren Mund, an dem noch Tropfen des hellen Weines hingen und sah Semjaza mit ihren dunkelgrünen Augen herausfordernd an.
Genüsslich nahmen sie ihr Essen zu sich und ein neuer Krug voller Wein machte die Runde. Samsaveel stand auf und verließ seinen Platz neben Semjaza und Azazel. Er schritt durch die am Boden sitzenden Dorfbewohner, deren unbekümmertes Gelächter immer lauter wurde. Ein Mädchen, das sich ihren Platz am Rand des Festmahls gesucht hatte und ihn mit offenem und interessiertem Blick betrachtete, erregte seine Aufmerksamkeit. Er näherte sich ihr und lächelte sie an. Das Mädchen senkte erschrocken den Blick, doch dann suchten ihre Augen die seinen und sie erwiderte sein Lächeln.
»Wie heißt du?«, fragte Samsaveel, während er neben ihr in die Hocke ging. »Mein Name ist Lea. Und wer bist du?«
»Ich bin Samsaveel.« »Nein. Ich meine, wer bist du?«
Der Grigori zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was du meinst. Ich gehöre zu den Männern dort, sie sind meine Brüder. Wir kommen von weit her und ihr habt uns freundlicherweise zu diesem Fest eingeladen.«
Lea legte den Kopf schief und musterte ihn nachdenklich. »Du bist anders als die Männer aus dem Dorf, ebenso deine Brüder. Und du unterscheidest dich auch von allen Männern, die uns bisher aus der Fremde besucht haben und denen ich begegnet bin. Mir kommt es so vor, als wenn du und deine Brüder aus einer ganz anderen Welt kämen.«
»Macht dir das Angst?« Lea überlegte kurz und legte die Stirn in Falten. Sie war schlank, hatte schwarzes langes Haar, ein schmales Gesicht mit großen dunkelbraunen Augen. »Nein, du machst mir keine Angst. Ich habe das Gefühl, als würde ich dich schon sehr lange kennen, es ist ganz sonderbar. Seit ich vierzehn bin, will mein Vater mich verheiraten, aber ich kann mich für keinen Heiratskandidaten entscheiden. Zum Glück liebt mich mein Vater sehr, so dass er mich bisher zu keiner Eheschließung gedrängt hat. Doch wenn er mich heute fragen würde, dann würde ich ihm antworten, dass ich meinen Mann gefunden habe.« Verlegen drehte sie eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger und beobachtete Samsaveel unter halb geschlossenen Lidern. »So? Und wer ist der Glückliche, den du erwählt hast?«
Lea ließ die Haarsträhne aus ihren Fingern gleiten und sah Samsaveel direkt in die Augen. »Du bist es! Mir ist, als hätte ich mein ganzes Leben nur auf dich gewartet. Ich will dich zum Mann und sonst niemanden.«
Ihre offene und ehrliche Art trafen den Grigori mitten ins Herz. Er versank in ihren braunen Augen und wusste, dass er am Ziel seiner irdischen Reise angekommen war. »Ja, Lea, du bist es, die ich aus allen Frauen erwähle. Ich will nur dich.«
Er streckte ihr die Hand entgegen, erhob sich vom Boden und zog sie zu sich heran. Ihre Blicke blieben ineinander verschlungen, als er seinen Arm um ihre Schultern legte und sie sanft vom Dorfplatz wegführte.
Am nächsten Morgen, die Sonne erschien bereits als goldene Halbkugel am Horizont, kehrte Samsaveel zu dem Ort zurück, an dem sie mit den Dorfbewohnern gemeinsam zu Abend gegessen hatten. Er erschrak über den Anblick, der sich ihm bot. Überall lagen seine Brüder verstreut auf dem blanken Boden, niedergestreckt von zu viel
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