Gottesstreiter
Eskorte nickte. »Da lass dich lieber nach Stolz bringen und hoffe auf Herrn
Johann von Bibersteins Milde.«
»Ich werde keinen Fluchtversuch unternehmen«, versicherte Reynevan, der sich die Handgelenke rieb. »Ich fürchte Herrn von
Biberstein nicht, denn ich bin mir keiner Schuld bewusst. Ich werde meine Unschuld beweisen.«
»Amen«, schloss Liebenthal. »Also dann auf!«
Unweit von Hirschberg hielten sie im Dorf Maiwaldau an, um zu rasten und ihr Nachtlager zu errichten. Sie aßen irgendetwas
und nächtigten in einem Schuppen, in dem der Sturm, der wieder von den Bergen herabkam, durch zahllose Löcher und Ritzen im
Dach und in den Wänden hereinblies.
Reynevan, von den Ereignissen des Tages ermüdet, schlief schnell ein. So schnell, dass aus dem Tagtraum leicht und unvermittelt
ein echter Traum wurde und das Irreale mühelos den Platz des Realen einnahm. Ach, ach, ihr Herren, ich hab solche Sehnsucht
nach einem Frauenzimmer. Soll dich doch der Henker holen, Priedlanz, warum musst du ausgerechnet jetzt davon anfangen, nun
kann ich nicht einschlafen. Nichts da, wir sind bald in Schweidnitz, da weiß ich ein hübsches Hurenhaus ... Und in Reichenbach in der Vorstadt kenn ich zwei fröhliche Mädchen, zwei Näherinnen ...
Das Pferd hat er mir unter dem Leib weggeschossen, meinen Sturmi, schäumt Nickel von Keuschburg und fuchtelt mit einem abgenagten
Knochen herum, mit der Armbrust, dieser Hundesohn, vierzig Mark hab ich dafür gegeben, aber ich hab es nicht bereut, denn
das war ein flinkes Tier ... Nein, nein, du Hussit! Das Pferd war flink! Mein Sturmi ... Und dieser Hussit, Reinmar von Bielau, soll eines üblen Todes sterben ...
Lauf, zischt Douce von Pack und verschlingt einen mit ihren blaugrünen Augen. In der Hand wiegt sie den Speer. Lauf weg, |357| ergänzt der neben ihr stehende Birkhart von Grellenort. Ich krieg dich auch so. Ich habe meine Augen und Ohren überall. In
jedem Kloster.
Er windet sich da wieder heraus, sagt Gregor Hejncze, der
inquisitor a Sede Apostolica specialiter deputatus
der Diözese Breslau. Und dann haben wir die Chance, dass er uns zu ihnen führt ...
Mich interessiert Vogelsang, sagt Konrad von Oels, der Bischof von Breslau. Reinmar von Bielau wird mich auf die Spur von
Vogelsang bringen.
Ein Reiter fliegt durch die Nacht, durch Wälder und felsige Schluchten, er hämmert an die eisenbeschlagene Pforte des wie
eine Festung ausgestatteten Klosters. Ein Mönch öffnet ihm, in weißer Tunika und schwarzem Skapulier, welches ein Kreuz schmückt,
dessen Stamm von dem Buchstaben »S« umschlungen wird.
Hans Foltsch, der Görlitzer Dienstmann auf Rojmund, erfüllte seine Pflicht voll und ganz – persönlich lieferte er den von
den Hussiten freigekauften Nickel von Keuschburg auf Burg Falkenberg ab, die den gleichnamigen Berggipfel zierte und einer
der Sitze des Geschlechtes derer von Dohna war. Der befreite Jüngling wurde auf der Burg mit unbändiger Freude empfangen,
und die vierzehnjährige Barbara von Dohna vergoss sogar Freudentränen. Auch ihre Schwester, die dreizehnjährige Eneda, weinte,
denn schließlich konnte ein gleiches Schicksal, wenn nicht heute, dann morgen, ihren eigenen Verehrer, Kaspar von Gersdorf,
treffen. Um ihren Töchtern Gesellschaft zu leisten, weinte Barbaras und Enedas Mutter, Margarethe von Jenkwitz, gleich mit.
Auch der Großvater, der alte Herr Bernhard von Dohna, weinte, aber der war bereits im Greisenalter und lachte und weinte so
oft, dass er nur selten wusste, warum und weshalb.
Friedrich von Dohna, der Herr auf Falkenberg, Bernhards Sohn, Margarethes Gemahl und der Vater der beiden Mädchen, |358| zeigte sich nicht so sehr erfreut. Er lächelte lediglich ein wenig schief, und sein Glücksgefühl war nur ein vorgetäuschtes.
Er war nun nicht nur um achtzig Schock Groschen Lösegeld ärmer, als er die Hussiten für Keuschburg bezahlte, sondern er hatte
sich damit zugleich auch öffentlich erklärt und diesen zum offiziellen Heiratskandidaten für seine Tochter erhoben. Dabei
wusste er ganz genau, dass es seine Tochter viel besser haben könnte. Er kaute auf seinem Schnurrbart herum, lächelte geziert
und wartete ungeduldig auf den Beginn des Festmahls, denn er hatte die Absicht, sich bis zur Bewusstlosigkeit zu besaufen,
um all dies zu vergessen.
Zu den wenigen, die sich wirklich von Herzen freuten, zählte Hans Foltsch. Friedrich von Dohna hatte er zunächst eine
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