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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Gesicht, als hätte er nicht Rheinwein, sondern
     Galle getrunken. »Hussitische Spione und Sympathisanten, aus denen man Informationen hätte herauspressen |363| können, hast du kaltblütig ermordet. Aus purer Lust. Aus reiner Freude am Töten. Sag mir also nicht, dies sei zum Ruhme Gottes
     geschehen. Denn das könnte Gott erzürnen.«
    »Überlassen wir das dem Urteil Gottes.« Das Gesicht des Mauerläufers zeigte keinerlei Regung. »Ich gehorche dir, Bischof.
     Meine Leute bleiben auf dem Sensenberg.«
    »Das verstehe ich. Das verstehe ich, mein Sohn. Sie bleiben auf dem Sensenberg. Wenn du aber Leute brauchen solltest, dann
     wähle dir welche von meinen Söldnern aus. Wenn du willst, dann nimm sie dir.«
    »Dafür bin ich Euch dankbar.«
    »Das denke ich wohl. Und nun geh. Es sei denn, du hast noch etwas für mich.«
    »Es hat sich so ergeben, dass ich noch etwas habe.«
    »Was denn?«
    »Zwei Dinge. Erstens eine Warnung. Zweitens eine Bitte. Eine untertänige Bitte.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Unterschätze Reinmar von Bielau nicht, Bischof. Du glaubst nicht an Wunder, belächelst die Arkana und tust die Magie mit
     einem verächtlichen Lachen ab. Aber die
Magna Magia
existiert, und Wunder geschehen. Ein solches Wunder ist mir letztens erst begegnet. Eben in Reynevans Nähe.«
    »Tatsächlich? Was hast du denn gesehen?«
    »Ein Wesen, das es nicht geben sollte. Das nicht existieren sollte.«
    »Ha! Vielleicht hast du zufällig in den Spiegel gesehen, mein Sohn?«
    Der Mauerläufer wandte den Kopf. Obwohl sich der Bischof über seine gelungene Bosheit freute, lächelte er nicht. Er drehte
     die Sanduhr um.
Media nox
war vorüber, bis zum
officium matutinum
blieben noch etwa acht Stunden. Höchste Zeit, endlich schlafen zu gehen, dachte er. Ich arbeite zu viel. Und was hab ich davon?
     Wer schätzt das überhaupt? Papst Martin, dieser Hurensohn, zum Teufel mit ihm, will von einem Erzbistum |364| für mich nichts wissen. Meine Diözese untersteht formell weiterhin Gnesen!
    Er wandte sich zum Mauerläufer. Sein Gesicht war ernst.
    »Ich habe die Warnung verstanden. Ich werde sie beherzigen. Und die Bitte? Du hast eine Bitte erwähnt.«
    »Ich weiß nicht, was du für Pläne hast, Priester. Aber ich möchte mich, wenn die Zeit gekommen ist, selbst mit diesem Reynevan
     befassen   ... Mit ihm und seinen Gefährten. Und ich möchte, dass Euer Exzellenz mir dies versprechen.«
    »Ich verspreche es dir.« Der Bischof nickte. »Du bekommst sie.« Sollte dies in meinem eigenen Interesse und dem der Kirche
     sein, fügte er in Gedanken hinzu.
    Der Mauerläufer sah ihm in die Augen und lächelte.
     
    Sie ritten am Bober entlang, der mit reißenden Strudeln dahinströmte, auf einer Allee von Erlen und Ulmen. Das Wetter war
     besser geworden, gelegentlich spitzte sogar die Sonne hervor. Leider nur selten und kurz, aber was soll’s, schließlich war
     November. Genauer gesagt, der siebte November.
Septima Novembris.
Ein Freitag.
    Willrich von Liebenthal, den Biberstein mit der Führung der Eskorte betraut hatte, entstammte einem Geschlecht aus dem Meißener
     Land. Er war ein entfernter Verwandter der mächtigen Liebenthals von Liebenthal bei Löwenberg. Dies betonte er gern. Aber
     im Grunde genommen war das nur eine seiner wenigen Schwächen.
    Auch den anderen Mitgliedern der Eskorte konnte man nur wenige Schwächen vorwerfen. Reynevan dankte der Vorsehung aus tiefster
     Seele, da er wusste, dass er es bedeutend schlechter hätte treffen können.
    Bartosch Strotschil war Schlesier. Reynevan konnte sich dunkel daran erinnern, dass ein Strotschil tatsächlich eine Apotheke
     in Breslau führte, aber er wollte diese Verbindung nicht näher beleuchten.
    »Ich kenne da«, wiederholte der sich im Sattel wiegende |365| Strotschil zum wer weiß wievielten Male, »in Schweidnitz ein hübsches Hurenhaus. Und in Reichenbach, in der Vorstadt, habe
     ich zwei hübsche Mädchen gekannt, zwei Näherinnen. Das war aber schon vor zwei Jahren, inzwischen könnten sie sich verheiratet
     haben, Teufel noch eins   ...«
    »Das könnte man ja mal überprüfen«, seufzte Stosch von Priedlanz, »wenn wir dort Halt machen   ...«
    »Das müssten wir wohl.«
    »Jo, jo«, stimmte Otto Kuhn zu, »dös müss’n mer wohl.«
    Stosch von Priedlanz, ein Lausitzer mit böhmischen Wurzeln, war ein Gefolgsmann der Biberstein, wie es auch sein Vater, Großvater
     und vermutlich auch der Urgroßvater gewesen waren. Otto Kuhn stammte aus Bayern. Er

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