Gottesstreiter
diesen Ruf, Schwerter und Streitäxte blitzten. Die Pferde, denen man die Sporen gegeben
hatte, wieherten laut, auch in den Händen von Bibersteins Leuten blitzten die Klingen auf. Nikolaus Dachs ergriff den Beidhänder
und schwang ihn.
»Haltet ein!«, rief Hans Foltsch. »Haltet ein, verdammt noch mal! Die Schwerter in die Scheiden!«
Die Rojmunder und die Görlitzer gehorchten ihm. Ungern. Die Pferde schnaubten und stampften unruhig im Schnee und Schlamm
herum.
»Reitet fort von hier«, sagte Ulrich von Biberstein böse. »Reitet Eures Weges, Herr Foltsch. Sofort. Bevor es hier ungemütlich
wird!«
Der Schnee taute plötzlich, das bisschen Sonne, das durch die Wolken hervorlugte, genügte dazu. Der Wind schlief ein. Es wurde
wärmer.
Der Herbst kehrte noch einmal zurück.
Schellerhau – Reynevan hatte den Namen des Dorfes mit der kleinen Kirche den Gesprächen der anderen entnommen – wirkte verwaist, als die
Abteilung von Foltsch und Warnsdorf |352| in dem Hohlweg verschwand, der zum Pass bei Jakobsthal führte, welcher, wie er ebenfalls der einen oder anderen Unterhaltung
entnommen hatte, das Riesengebirge vom Isergebirge trennte. Nikolaus Dachs betrachtete eine Zeit lang mit finsterer Miene
die Spuren, sagte dann etwas zu Biberstein und deutete dabei zuerst auf die Davonziehenden und dann auf Reynevan. Biberstein
biss sich auf die Lippen, bedachte seinen Gefangenen mit einem nicht eben freundlichen Blick und nickte. Dann erteilte er
einen Befehl. Dachs veneigte sich.
»Herr Liebenthal!«, rief er, näher kommend. »Herr Strotschil, Herr Priedlanz und Herr Kuhn! Bitte zu mir!«
Die vier Ritter verließen den Tross, ritten heran, blickten neugierig drein, bekundeten aber zugleich sehr deutlich ihren
Unwillen. Dachs kümmerte sich nicht weiter darum.
»Der edle Herr Ulrich von Biberstein befiehlt, diesen Übeltäter«, er deutete auf Reynevan, »nach Schlesien, nach Schloss Stolz
zu bringen und ihn dort seinem Bruder, Herrn Johann von Biberstein, zu übergeben. Der Gefangene soll spätestens in fünf Tagen,
also am Montag, überstellt werden, heute haben wir Donnerstag. Er soll lebend, gesund und heil übergeben werden. Zum Anführer
der Eskorte hat Herr von Biberstein Herrn Liebenthal bestimmt. Aber für den Gefangenen und die Ausführung des Befehls haften
alle mit ihrem Kopf. Haben die Herren verstanden? Herr Liebenthal?«
»Warum ausgerechnet wir?«, fragte Liebenthal brüsk und rieb sein vorspringendes, mit schwarzen Bartstoppeln bedecktes Kinn.
»Und warum zu viert?«
»Weil Herr Ulrich es so befohlen hat. Und weil ich ihm dies geraten habe.«
»Da danken wir aber herzlichst«, bemerkte ein anderer aus der Eskorte, der eine Biberfellkappe schräg auf dem Kopf trug, spöttisch.
»Das heißt, wir müssen ihn unversehrt nach Stolz bringen. Und wenn uns das nicht gelingt, verlieren wir den Kopf. Na toll!«
»Und wenn er versucht zu entkommen?« Ein Dritter, ein |353| langer Kerl mit einem hellen Bart, maß Reynevan mit den Augen. »Können wir ihm dann wenigstens die Beine brechen?«
»Nur mit dem Risiko, dass der Herr auf Stolz dann Euch die Beine brechen lässt«, antwortete Dachs kühl.
»Was dann?« Der Schnurrbärtige gab nicht auf. »Sollen wir ihn binden und in einen Sack stecken? Oder ihn in ein eisernes Fass
stecken, so eins, in das Herzog Konrad von Glogau Heinrich V. den Dicken von Breslau gesteckt hat? Vielleicht ...«
»Es reicht!«, warnte ihn Dachs, ihm ins Wort fallend. »In fünf Tagen muss der Gefangene auf Stolz sein, gesund und heil. Ihr
haftet mit Eurem Kopf, und jetzt Schluss mit dem Gerede! Von mir dazu nur noch so viel, er müsste verrückt sein, wenn er fliehen
würde. Viele Häscher sind ihm auf der Spur, und wem er auch in die Hände fällt, es droht ihm der Tod. Und zwar kein rascher
und kein leichter.«
»Und was erwartet ihn auf Stolz? Werden sie ihn da etwa mit Blumen überschütten?«
»Womit sie ihn dort überschütten, ist nicht mein Problem«, Dachs zuckte mit den Achseln, »aber was ihn in Görlitz, Zittau
oder Bautzen erwartet, das weiß ich: die Folterbank und der Scheiterhaufen. Wenn ihn de Bergow oder Schaff noch einmal erwischen
sollten, kostet ihn das ebenfalls das Leben. Daher denke ich nicht, dass er fliehen wird ...«
»Ich werde nicht fliehen«, erklärte Reynevan, des Schweigens überdrüssig. »Ich gebe Euch mein Wort. Ich kann auf das Kreuz
und alles, was heilig ist,
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