Gottesstreiter
hatte eindeutig die Absicht, sich mit seinem Pferd zwischen
den Herrn auf Friedland und Reynevan zu drängen. Nikolaus Dachs versperrte ihm den Weg und vereitelte dieses Vorhaben.
»Mit welchem Recht nehmt Ihr Euch diesen Gefangenen, Herr von Biberstein?«, rief Keuschburg.
Ulrich von Biberstein schürzte nur verächtlich die Lippen, er dachte gar nicht daran, ihm zu antworten. Der Junker lief vor
Wut rot an.
»Ihr seid ein schlechtes Beispiel!«, schrie er. »Ein Beispiel für Eigennutz! Nur wegen irgendwelcher mysteriösen Familienfehden,
nur um Euch zu rächen und mit jemandem abzurechnen, bringt Ihr das Land in Gefahr! Das ist ein schändliches Betragen! Schändlich!«
»Herr Foltsch«, versetzte Biberstein mit ruhiger Stimme, »Ihr seid ein ernsthafter Mann, bekannt für Eure Besonnenheit und
Eure guten Ratschläge. Ratet doch bitte diesem Hosenscheißer, er möge gefälligst sein Maul halten.«
Keuschburg langte schnell an seine rechte Seite, aber einer von den Berittenen packte mit seinem Eisenhandschuh dessen Hand
und drückte so fest zu, dass sich der Jüngling im Sattel krümmte. Reynevan ahnte, wer das war, das, was er auf Michalovice
gehört hatte, fiel ihm wieder ein. Dies war Hans Foltsch von Burg Rojmund. Ein Dienstmann der Stadt Görlitz.
»Welchen Rat könnte ich ihm erteilen, da er Recht hat?«, fragte Foltsch langsam. »Euer Gefangener, Herr Ulrich, ist ein Hussit
von hohem Rang, ein Gefährte der hiesigen Hauptleute, ihr Vertrauter gleichermaßen. Er muss wohl über ihre geheimen Absichten
und Pläne Bescheid wissen. Uns steht ein Krieg bevor, und im Krieg behält derjenige die Oberhand, der |350| die Absichten des Feindes kennt. Diesen Gefangenen sollte man nach Görlitz oder nach Zittau bringen und ihn befragen, so ganz
allmählich und recht bedächtig aus ihm all das herauspressen, was er weiß. Daher sage auch ich Euch: Übergebt ihn uns. Verzichtet
zum Wohle des Landes auf die Fehde, und übergebt ihn uns.«
Ulrich von Biberstein blickte zuerst nach links, dann nach rechts, auf diesen Wink hin bewegten sich die ihm untergebenen
Ritter, Junker und Knechte und kamen mit ihren Pferden näher und näher heran. Ein Waffenknecht mit einem gewaltigen Beidhänder
stellte sich neben Nikolaus Dachs, der an der Seite Reynevans stand, und hielt die Waffe so, dass Dachs den zwölf Zoll starken
Schwertgriff bequem erreichen konnte. Hans Foltsch sah dies alles.
»Und wenn ich nun nicht darauf verzichten möchte?«, spottete Ulrich von Biberstein und stemmte seine Hand in die Hüfte. »Was
dann? Schlagt Ihr dann auf mich ein? Zum Wohle des Landes?«
»Nein, Herr von Biberstein«, erwiderte der Görlitzer Dienstmann kühl. »Wir schlagen nicht auf Euch ein. Denn das würde unsere
Feinde nur zu sehr freuen. Je mehr wir uns streiten, uns uneinig sind, desto kräftiger reiben sich die Hussiten die Hände.
Ich habe Euch gesagt, was ich zu sagen hatte.«
»Ich hab’s gehört.« Der Herr auf Friedland hob stolz den Kopf. »Und jetzt Schluss damit. Gehabt Euch wohl. Herr Foltsch. Herr
Warnsdorf.«
Der bei der Verabschiedung so geringschätzig übergangene Keuschburg erbleichte vor Wut.
»Damit ist noch nicht Schluss!«, brüllte er. »Damit ist noch nicht Schluss, o nein! Das wird nicht einfach so beiseite geschoben!
Ihr werdet Euch rechtfertigen, Herr von Biberstein! Wenn nicht vor Gericht, dann auf festem Grund und Boden!«
»Wer mir mit Gericht droht, den pflege ich wie einen Knecht mit dem Stock zu traktieren«, drohte Ulrich von Biberstein mit
erhobener Stimme. »Wenn dir die Haut auf deinem Rücken |351| lieb ist, dann beherrsch dich gefälligst, du Grünschnabel. Nicht auf festem Grund und Boden, sondern hier im Schlamm lasse
ich dich auspeitschen. Du Rotzlöffel! Was heißt das schon, dass du bei den Dohnas einheiraten willst! Auch wenn man dir eine
Dohna zur Frau geben sollte, bist du deshalb nicht erwachsener! Was willst du vom alteingesessenen Adel, du Söhnchen von Ministerialen
der Bischöfe von Merseburg? Mach dich nicht lächerlich!«
Der blasse Keuschburg färbte sich so rot wie eine angeschnittene Rote Bete, es schien, als wollte er Biberstein mit bloßen
Händen angreifen. Foltsch packte ihn an der Schulter, der mit dem Namen Warnsdorf angeredete Ritter ergriff den Zügel des
Pferdes dicht hinter der Trense. Aber die anderen Görlitzer Reiter machten sich dennoch zum Kampf bereit. Einer von ihnen
rief etwas, ein anderer wiederholte
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