Gottesstreiter
Payne,
der Engländer, mit seinem Asketengesicht. Dahinter kamen die Ratsherren der Altstadt, Jan Velvar, Matĕj Smolař und Václav
Hedvika. Und noch andere.
Rokycana blieb stehen.
»Böhmische Brüder! Bürger von Prag!«, rief er und hob beide Hände. »Gott ist mit uns! Und Gott ist über uns!«
Das Geschrei der Menge schwoll an, dann wurde es leiser und verstummte. Die Kirchenglocken hörten auf zu läuten. Rokycana
ließ die Hände sinken.
»Die Häretiker sind besiegt!«, rief er noch lauter. »Diejenigen, die das heilige Kreuz besudelt haben, weil sie es, aufgewiegelt
von Rom, auf ihre verbrecherischen Waffen setzten, Gottes Strafe hat sie ereilt! Der Sieg ist bei Bruder Prokop!«
Die Menschen schrien wie aus einem Munde, Hochrufe wurden laut. Der Prediger gebot ihnen zu schweigen.
|41| »Obwohl sich die höllischen Horden hier gegen uns versammelt und Babylons blutige Krallen gegen uns ausgestreckt haben«, fuhr
er fort, »obwohl die Bosheit des römischen Antichristen den wahren Glauben aufs Neue bedroht hat, ist Gott doch über uns!
Der Herr des Himmels hat seine Hand erhoben, um die feindliche Macht zu vernichten! Der Herr, der die Krieger des Pharaos
im Roten Meer versenkte, der die zahllose Armee der Midianiter zur Flucht vor Gideon zwang! Der Herr, der in einer einzigen
Nacht durch seinen Engel hundertfünfundachtzigtausend Assyrer schlug, dieser Herr des Himmels hat die Herzen unserer Feinde
mit Angst erfüllt! Wie die gotteslästerlichen Krieger Sanheribs vor Jerusalem flohen, so ist auch das furchtgebeutelte Papistengezücht
vor Mies und Tachau davongerannt!«
»Als diese Teufelsdiener den Kelch auf den Standarten von Bruder Prokop auch nur sahen«, fiel Jakobellus mit dünner Stimme
ein, »als sie den Choral der Gottesstreiter vernahmen, sind sie voller Panik auseinander gestoben, so, dass nicht einmal mehr
zwei beieinander standen! Sie waren wie die Spreu, die der Wind zerstreut!«
»
Deus vincit!«,
schrie Peter Payne.
»Veritas vincit! Te Deum laudamus!«
Die Menge heulte und schrie. So laut, dass Reynevan fast das Hören verging.
An diesem Abend, am vierten August 1427, feierte Prag lauthals und geräuschvoll den Sieg. Die Prager schüttelten in einem
spontanen, verrückten Freudentaumel die Angst und die Unsicherheit der letzten Wochen ab. In den Straßen wurde gesungen, auf
den Plätzen rings um die Feuer getanzt, in den Gärten und Höfen gefeiert. Die Frömmeren ehrten Prokops Sieg mit Gottesdiensten,
die
impromptus
in allen Prager Kirchen abgehalten wurden. Den weniger Frommen bot sich eine Fülle von anderen Vergnüglichkeiten. Überall,
in der Altstadt, in der Neustadt, auf der Kleinseite, die zum überwiegenden |42| Teil immer noch eine Brandstätte war, auf dem Hradschin, also fast überall, feierten die Schankwirte den Triumph über die
Kreuzfahrer damit, dass sie jedem, der es wollte, auf Kosten des Hauses Alkoholisches spendierten und Essen servierten. Prag
auf, Prag ab sprangen die Pfropfen und Spunde aus den Fässern, entfaltete sich ein leckerer Duft von den Bratspießen, den
Bratrosten und aus den Kochkesseln. Wie üblich nutzten listige Gastwirte die Gelegenheit, um unter dem Deckmantel der Großzügigkeit
vor allem jene Produkte loszuschlagen, die sauer zu werden oder zu verderben drohten, und auch solche, die diese Drohung schon
wahr gemacht hatten. Aber wen kümmerte das! Die Kreuzfahrer sind geschlagen! Die Gefahr ist gebannt! Lasst uns feiern!
Prag auf, Prag ab wurde gefeiert. Trinksprüche auf den tapferen Prokop und die Gottesstreiter wurden ausgebracht und die von
Tachau fliehenden Kreuzfahrer zum Teufel gewünscht. Besonders dem Anführer der Kreuzfahrer, Otto von Ziegenhain, dem Erzbischof
von Trier, wünschte man, er möge auf dem Heimweg verrecken oder doch wenigstens krank werden. Rasch erstellte Couplets wurden
darüber gesungen, wie sich der päpstliche Legat Henry Beaufort beim Anblick von Prokops Standarten in die Hose machte.
Reynevan hatte sich den Feiernden angeschlossen. Zuerst auf dem Altstädter Markt, dann war er zusammen mit einer bunt zusammengewürfelten,
recht zahlreichen Gesellschaft auf den Peštýn in die Herberge »Zum Bären« gezogen, in der Nähe des Kirchleins St. Martin in
der Mauer. Später war dann die angeheiterte Gesellschaft zur Neustadt hinübergewandert. Nachdem sie unterwegs noch ein paar
Betrunkene vom Friedhof von Maria Schnee aufgelesen hatten, zogen die
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