Gottesstreiter
kriechen den Bischöfen und Herzögen
in die Ärsche. Denn ihr Schiff sinkt, ihnen geht der Arsch auf Grundeis, denn jetzt sind sie mit ihren trügerischen Hoffnungen
am Ende. Denn wir steigen empor, und sie sinken herab, in die Kloake! Korybut ist umgefallen, vor Aussig hat es ein Pogrom
und Massaker gegeben, die Österreicher haben bei Zwettl eins aufs Haupt gekriegt und sind erledigt. In der Lausitz brennt
es bis nach Görlitz hinein. Ungarisch-Brod und Pressburg schlottern vor Angst, Olmütz und Tyrnau zittern hinter ihren Mauern.
Prokop triumphiert.«
»Vorläufig.«
»Was heißt vorläufig?«
»Na, dort, bei Mies ... In der Stadt sagen sie ...«
»Ich weiß, was sie in der Stadt sagen.«
»Gegen uns zieht ein Kreuzzug heran.«
»Das ist normal.«
»Es heißt, ganz Europa ...«
»Nicht ganz.«
»Achtzigtausend Bewaffnete ...«
»Das stimmt einen Dreck. Dreißigtausend, höchstens.«
»Aber sie sagen doch ...«
»Reynevan«, unterbrach ihn Filou in aller Gemütsruhe, »überleg doch mal. Wenn es wirklich bedrohlich wäre, wäre ich dann noch
hier?«
Wieder schwiegen sie ein Weilchen.
»Außerdem wird sich die Angelegenheit jeden Moment aufklären«, sagte der Chef der taboritischen Geheimpolizei. »Jeden Moment.
Hörst du?«
»Was? Wie? Woher?«
Neplach brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. Er wies zum Fenster hin. Er bedeutete ihm, zu lauschen.
Die Glocken von Prag ergriffen das Wort.
|39| Die Neustadt begann. Als erste Kirche läutete Maria auf dem Rasen, gleich darauf die Kirche des Emmaus-Klosters, kurz danach
ertönten die Glocken von St. Wenzel am Zderaz, St. Stephan stimmte in den Chor ein, nach ihm St. Adalbert und St. Michael,
dann singend und klingend Maria Schnee. Kurz darauf erklang das Glockengeläut aus der Altstadt. Als Erstes ertönte das von
St. Ägidius, darauf das von St. Gallus und schließlich laut und triumphierend das der Jungfrau Maria vor dem Teyn. Dann stimmten
die Glocken auf dem Hradschin ein, St. Benedikt, St. Georg und die Allerheiligenkirche.
Im Goldenen Prag hatten die Glocken zu singen begonnen.
Auf dem Altstädter Markt herrschte ein schreckliches Gedränge und Gerangel. Vor dem Rathaus wogte eine Volksmasse, die Menge
ballte sich vor den Türen zusammen. Die Glocken läuteten immer noch. Es war ein unglaublicher Lärm. Die Leute drängten, schrien
sich gegenseitig nieder, gestikulierten, überall sah man nur noch verschwitzte Gesichter, rot vor Anstrengung und Erregung,
und offene Münder. Fiebrig glänzende Augen.
»Was ist denn los?« Reynevan fasste einen nach Säure stinkenden Gerber am Ärmel. »Nachrichten? Gibt es Nachrichten?«
»Bruder Prokop hat die Kreuzfahrer geschlagen! Bei Tachau! Er hat ihnen aufs Haupt geschlagen, hat sie bezwungen!«
»Hat es eine offene Feldschlacht gegeben?«
»Was denn für eine Feldschlacht!«, schrie neben ihm ein Kerl, der, wie man sah, geradewegs aus der Barbierstube herausgesprungen
war, das Gesicht noch halb mit Barbierschaum bedeckt. »Was denn für eine Schlacht! Ausgerissen sind sie! Hals über Kopf! In
wilder Flucht!«
»Sie haben alles zurückgelassen!«, plärrte ein Handwerksbursche erregt. »Ihre Waffen, ihre Büchsen, ihre Habe, ihre Spieße!
Geflohen sind die Papisten bei Tachau! Bruder Prokop ist der Sieger! Der Kelch ist der Sieger!«
|40| »Was schwatzt ihr denn da! Sie sind geflohen? Ohne jede Schlacht?«
»Geflohen sind sie, geflohen! Und auf der Flucht von den Unseren ganz furchtbar verhauen worden! Tachau wird belagert, die
Herren vom Landfrieden werden auf der Burg belagert! Bruder Prokop beschießt die Mauern mit seinen Bombarden, heute oder morgen
kriegt er die Stadt! Bruder Jakoubek von Vřesovice verfolgt und bezwingt Herrn Heinrich von Plauen!«
»Still! Seid alle still! Bruder Jan kommt.«
»Bruder Jan! Bruder Jan! Und die Ratsherren!«
Die Türen des Rathauses öffneten sich, und eine Gruppe von Leuten trat auf die Stufen.
An ihrer Spitze ging Jan Rokycana, der Propst der Kirche der Jungfrau Maria vor dem Teyn, klein von Gestalt, mit edlem, um
nicht zu sagen vergeistigtem Antlitz. Er war noch nicht alt. Der derzeit tonangebende Ideologe der utraquistischen Revolution
zählte fünfunddreißig Lebensjahre, war also zehn Jahre älter als Reynevan. Neben seinem bereits berühmten Schüler schritt
kurzatmig Jakobellus von Mies einher, Magister der Karls-Universität. Einen halben Schritt hinter ihm hielt sich Peter
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