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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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drang tief ein, Reynevan
     hörte, wie der Mittelhandknochen splitterte. Der Halunke schrie laut auf, sank in die Knie und presste seine stark blutende
     Hand gegen den Bauch.
    Der dritte Angreifer, der Untersetzte, lief ihm rasch entgegen, wobei er mit dem Dolch über Kreuz ausholte, rechts – links,
     sehr gefährlich. Reynevan ging in die Defensive, parierte und sprang wieder nach hinten, wobei er immer noch auf eine Bilderbuchposition
     hoffte, aber weder Meister Talhoffer noch Messer Fiore waren ihm heute von Nutzen. Hinter dem Rücken des Halunken mit dem
     Dolch war unvermittelt etwas sehr Graues mit grauer Kappe, grauem Kittel und grauen Hosen aufgetaucht. Der aus hellem Holz
     gedrechselte Stock pfiff durch die Luft und gab mit einem dumpfen Laut seinen intensiven Kontakt mit dem Hinterkopf bekannt.
     Der Graue war äußerst flink. Noch bevor der Halunke zu Boden ging, schaffte er es, ein zweites Mal zuzuschlagen.
    Filou und einige seiner Agenten betraten die Seitengasse.
    »Na, wie sieht’s aus?«, fragte er. »Bist du immer noch der Meinung, dass es keinen Grund gibt, dir nachzugehen?«
    Reynevan holte tief Atem, mit offenem Mund sog er die Luft ein. Erst jetzt begann das Adrenalin in ihm zu kochen. Ihm |48| wurde so schwarz vor Augen, dass er sich gegen die Hauswand lehnen musste.
    Filou trat näher, beugte sich vor und betrachtete den jammernden Halunken mit der durchstochenen Hand. Mit raschen Bewegungen
     machte er die deutsche Blockade und die italienische Konterattacke nach, die Reynevan ausgeführt hatte.
    »Na, na, na«, er schüttelte den Kopf, ungläubig und anerkennend zugleich, »glänzend gemacht, glänzend. Wer hätte ahnen können,
     dass du es bei deinen Übungen zu solch einer Kunst bringst. Ich wusste ja, dass du zu einem Fechtmeister gehst. Aber der hat
     zwei Töchter. Also hatte ich angenommen, dass du mit einer von ihnen übst. Oder mit allen beiden.«
    Auf sein Zeichen hin wurde der schluchzende, blutende Schurke gefesselt. Er sah sich auch nach jenem um, der den Stich in
     den Schenkel abbekommen hatte, aber der hatte sich bereits heimlich und leise davongemacht. Er befahl, den aufzuheben, den
     der Schlag mit dem Stock getroffen hatte. Der war immer noch betäubt, sabberte und konnte seinen Blick nicht geradeaus richten,
     er schielte unglaublich, und seine Augäpfel verschwanden immer wieder im Innern seines Schädels.
    »Wer hat euch gedungen?«
    Der Halunke schielte und wollte ausspucken. Er schaffte es nicht. Filou nickte, und der Schurke erhielt einen Schlag mit dem
     Stock in die Nieren. Als er zischend die Luft einsog, bekam er einen zweiten Schlag. Filou machte eine beiläufige Handbewegung,
     ein Zeichen, dass man ihn abführen sollte.
    »Du wirst reden«, versprach er dem Abgeführten, »alles wirst du sagen. Bei mir hat es noch keinen gegeben, der geschwiegen
     hätte.«
    Filou wandte sich zu Reynevan. »Dich zu fragen, ob du eine Ahnung hast, hieße, deine Intelligenz zu beleidigen. Deshalb frage
     ich dich: Kannst du dir denken, wessen Arbeit das war?«
    Reynevan nickte. Auch Filou nickte, anerkennend.
    »Diese Häscher werden es mir sagen. Bei mir hat es noch |49| keinen gegeben, der geschwiegen hätte. Bei mir hat sogar Martin Loquis geredet, und der war ein gnadenloser und verbissener
     Wicht, ein Ideologe, ein wahrhafter Märtyrer für die Sache. Diese Lumpen, die man für ein paar alte Groschen gedungen hat,
     werden alles ausplaudern, sobald sie die Folterwerkzeuge zu Gesicht bekommen. Aber ich werde sie trotzdem rösten lassen. Aus
     purer Sympathie für dich, ihr verhindertes Opfer. Nein, danke mir nicht.«
    Reynevan dankte ihm nicht.
    »Aus purer Sympathie werde ich für dich noch etwas tun«, fuhr Filou fort. »Ich werde dir gestatten, deinen Bruder selbst zu
     rächen. Ja, ja, du hast richtig gehört. Nein, danke mir nicht.«
    Reynevan dankte ihm auch diesmal nicht. Außerdem waren Filous Worte noch nicht ganz zu ihm durchgedrungen.
    »Nach einiger Zeit wird sich ein Mann von mir bei dir melden. Er wird dir empfehlen, dich zum Markt zu begeben, zum Haus ›Zum
     güldenen Rösslein‹, dorthin, wo wir heute miteinander geredet haben. Du wirst dich dann unverzüglich dorthin begeben. Und
     nimm deine Armbrust mit. Hast du verstanden? Gut. Leb wohl.«
    »Leb wohl, Neplach.«
     
    Daraufhin geschah nichts weiter. Es war schon finster, als Reynevan zur Ecke St.-Stephans-Gasse und Fischteichgässchen gelangte,
     nach Hause, in die kleine Kammer im Oberstock,

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