Gottesstreiter
Prior
Henricus et fratres canonici regulares
verteidigten, die des Schreibens kundig waren. Aber Prior
Henricus,
der Hektor von Glatz, war tapferen Herzens und fürchtete sich nicht. Den Brüdern befahl er, gleichfalls eine Leinwand aufzustellen
und darauf, den Wyclifiten zur Verachtung, in Buchstaben zu fassen:
BEATA VIRGO MARIA ASSISTE NOBIS.
»Was?«, knurrte Jan Kolda, »was haben die da hingeschmiert?« Brázda von Klinštejn prustete. Jíra z Řečice lachte scheppernd.
Auf der Leinwand, die an der Mauer von den schreienden, Vivat rufenden Verteidigern aufgerollt wurde, stand in riesigen Buchstaben:
DEINE MUTTER DIE HUR
Královec betrachtete das Transparent lange, lange und starrköpfig, als erwartete er, dass sich die Buchstaben anders zusammensetzen
würden. Schließlich wandte er sich um, sein Blick heftete sich auf Reynevan.
»Kamenz, hast du gesagt? Das Zisterzienserkloster? Das reiche Kloster der Zisterzienser? Waren dies deine Worte?«
»Das habe ich gesagt.«
»Na dann ...« Královec blickte noch einmal auf Glatz, ein bisschen sehnsüchtig, wie es schien. »Worauf warten wir dann noch? Auf!«
|547|
Et sic Orphani
, schrieb er mit kratzender Feder auf das Pergament,
a Glatz feria II pasce recesserunt.
Der Chronist machte einen Punkt, legte die Feder beiseite, stöhnte und streckte den schmerzenden Rücken.
Die Chronik war fertig.
|548| Zwanzigstes Kapitel
in dem sich Beteiligte, Augenzeugen und Chronisten an gewisse Ereignisse aus der Zeit unmittelbar vor Ostern 1428 erinnern.
Und man wieder mal nicht weiß, wem man Glauben schenken soll.
M ein Name, heiliges Tribunal, ist Bruder Zephyrinus.
Aus dem Zisterzienserkloster von Kamenz. Vegebt mir meine Verwirrung, ehrwürdige Väter, aber ich stehe zum ersten Mal vor
dem Officium ... Ich werde gerne zum
testimonium
beitragen, aber ...«
»Jawohl, sofort, ich komme sogleich zur Sache. Will sagen zu dem, was sich im Kloster an jenem tragischen Tag, am Dienstag
der Karwoche Anno Domini 1428, zugetragen hat. Und was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Und ich sage unter Eid aus,
so wahr mir Gott ... Bitte? Zur Sache?
Bene, bene.
Ich rede ja schon.«
»Ein Teil unserer Klosterbrüder hatte schon früher, am Samstag vor jenem Sonntag, an welchem man dem Herrn das
Judica me Deus
singt, das Fasten begonnen, als die Häretiker Ottmachau, Patschkau und Pomsdorf in Brand setzten. Den Feuerschein haben wir
nachts überm halben Himmelsgewölb gesehen, und anderntags ist die Sonne kaum durch den dichten Rauch gedrungen. Da hat es,
wie soll ich sagen, einigen
fratres
an Mut gemangelt, und so nahmen sie denn, so viel sie mit den Händen greifen konnten, und rannten davon. Der Abt hat getobt,
sie Feiglinge genannt und ihnen mit der Strafe Gottes gedroht, ha, wenn er gewusst hätte, was ihm blüht, wäre er wohl selbst
als Erster geflohen. Auch ich wäre gerne geflohen, ich will vor dem heiligen Tribunal nicht lügen, aber ich wusste |549| nicht, wohin. Ich bin gebürtiger Lombarde aus der Stadt Tortona, nach Schlesien bin ich von Altenzelle gekommen, zuerst nach
Leubus, und vom Kloster in Leubus bin ich nach Kamenz gekommen ... Hä? Ich soll bei der Sache bleiben?
Bene, bene,
ich bleib schon dabei. Gleich sag ich, wie es war.«
»Gleich
post dominicam Judica quadragesimalem
hab ich von Flüchtlingen gehört: Die Ketzer sind abgezogen, sie sind nach Grottkau gegangen. Da hab ich Erleichterung verspürt,
bin gleich in die Kirche zum Altar und habe mich in Kreuzesform auf den Boden geworfen,
gratias tibi, Domine
, großer Gott, dir sei Dank. Dann war wieder Geschrei: Es kommen neue Bekenner dieses Teufels Hus, Waisen nennt man sie, von
Glatz her. Wartha haben sie angezündet, schon das zweite Mal haben sie in dieser Unglücksstadt Feuer gelegt. Wir hatten noch
Hoffnung, dass sie vorüberziehen und nach Frankenstein gehen möchten, auf der Breslauer Straße, dass sie nicht nach Kamenz
einbiegen. Da sind wir in die Kirche, um dafür zu beten,
sancta Maria, mater Christi, sancta virgo virginum, libera nos a malo, sancte Stanislaus, sancte Andrea, orate pro nobis ...
Aber unsere Gebete haben nicht geholfen, offenbar wollte der Herr uns wie Hiob prüfen, damit wir ... Ach ja, ich weiß schon, ich soll beim Thema bleiben.«
»Also fasse ich mich kurz: Es war so, dass diese Höllenbrut dann am Kardienstag ins Kloster eingefallen ist. Plötzlich, wie
der Blitz aus heiterem Himmel, sind sie über
Weitere Kostenlose Bücher