Gottesstreiter
nicht geöffnet und kein Brand
entfacht werden würde, nahm Královec gelassen auf.
»Was soll’s, so ist nun mal das Leben.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich war zudem immer der Ansicht, dass dich Prokop und
Filou überschätzt haben, Reynevan von Bielau. Du wirst schlicht und einfach überbewertet. Außerdem, entschuldige bitte, stinkst
du ganz fürchterlich.«
»Ich bin durch den Abwasserkanal aus Glatz herausgelangt.«
»Mit einem Wort, die Stadt hat dich ausgeschissen. Wie symbolisch!« Královec blieb gelassen. »Geh dich waschen, und reinige
dich. Uns erwarten hier eine Menge Arbeit und ernsthafte Aufgaben. Wir müssen die Stadt selbst, ohne fremde Hilfe, einnehmen.«
|542| »Meiner Meinung nach«, stieß Reynevan hervor, »sollten wir Glatz meiden. Die Verteidigung ist sehr stark, die Anführer sind
mutig, die Moral der Leute ist hoch ... Wäre es nicht besser, nach Kamenz zu ziehen? Zum Zisterzienserkloster? Einem sehr reichen Kloster?«
Jíra z Řečice lachte, Kolda schüttelte den Kopf. Královec schwieg,verzog den Mund und blickte Reynevan lange und starrköpfig
an.
»Wenn ich deine Meinung über die Kriegführung hören will«, sagte er dann, »lasse ich es dich wissen. Du kannst gehen.«
Über dem Klostergarten zog grauer Rauch auf, es roch nach verbranntem Unkraut. Der alte Chronist tauchte die Feder ins Tintenfass.
Anno Domini MCCCCXXVIII feria IV ante Palmarum Wyclifitae de secta Orphanorum cum pixidibus et machinis castrum dictum Glatz
circumvallaverunt, in quo castro erant capitanei dominus Puotha de Czastolovic et Nicolaus dictus Mosco, et ibi dictis pixidibus
et machinis sagittantes et per sturm et aliis diversis modis ipsum castrum conabantur aquirere et lucrare; ipsi vero se viriliter
defenderunt ...
Die Feder kratzte über das Pergament. Es roch nach Tinte.
»Vorwärts!«, schrie, Kampfeslärm und Geschrei übertönend, Jan Kolda von Žampach. »Vorwärts, Gottesstreiter! Auf die Mauern!
Auf die Mauern!«
Ein wohl von einem Katapult oder einer Wurfmaschine abgeschossener Feldstein knallte mit solcher Macht gegen den Rammbock,
dass er sie alle, Reynevan und seine Mannschaft, die sich dahinter befanden, fast umgeworfen hätte. Zum Glück war Samson unter
ihnen. Der Riese schwankte zwar unter dem Aufprall, hielt aber stand und ließ die Stützen nicht los. Zum Glück, denn von den
Mauern schwirrten unaufhörlich Wolken von Geschossen heran. Vor Reynevans Augen wurde einer der |543| Schützen, der hinter einer Pavese gleich nebenan hervorlugte, von einer Kugel mitten in die Stirn getroffen. Sie zerfetzte
ihm den Kopf.
Vom Böhmischen Tor her erklang wilder Lärm, den Waisen dort war es gelungen, Leitern und Rammen aufzustellen, jetzt versuchten
sie, unter großen Verlusten darauf emporzuklettern. Siedendes Pech und kochend heißes Wasser wurden über sie ausgegossen,
Steine und mit Nägeln beschlagene Balken auf sie herabgeworfen. Nicht besser erging es den Rotten von Jira von Řečice, die
den Abschnitt zwischen dem Grünen Tor und der Wäscherpforte angriffen – zweimal schon hatten sie Leitern aufgestellt, und
beide Male waren sie zurückgeworfen worden.
Tauler und Samson schoben den Rammbock wieder nach vorn. Řehors fluchte, während er sich mit der klemmenden Winde seiner Armbrust
abmühte. Scharley und Bisclavret, die ihre Hakenbüchsen luden, schoben die Läufe vor das Gerüst und feuerten. Im selben Moment
löste sich aus einer auf einem Wagen stehenden Zwölfpfünder unmittelbar neben ihnen ein Schuss. Alles war in Rauch gehüllt,
und Reynevan fühlte sich einen Moment wie taub. Er hörte nichts mehr, weder den Knall noch die Schreie, weder das lästerliche
Fluchen noch das Wimmern der Verwundeten. Bis er einen Stoß mit einem Peitschenknauf auf die Schulter erhielt, hatte er nicht
einmal den Hauptmann Jan Královec gehört, der herangeritten war und den ihn umschwirrenden Kugeln nur Verachtung entgegenbrachte.
»... rdammt!«, drang es endlich zu Reynevan hin. »Hörst du denn nicht? Die Pest über dich, du Mistkerl! Du hattest den Befehl,
nicht zum Sturm anzusetzen! Wir haben dir verboten, Krieg zu spielen! Wir brauchen dich für etwas anderes! Los, zurück! Alle
zurück! Wir ziehen uns zurück!« Koldas Kämpfer konnten vor den Mauern Královecs Befehl nicht hören, aber das brauchten sie
auch nicht. Sie warfen die Leitern um und zogen sich zurück. Ein Teil von ihnen in Gefechtsordnung, gedeckt von
Weitere Kostenlose Bücher