Gottesstreiter
Samson stürmte
er ins Tor und schlug die Riegel herunter. Scharley hielt ihnen den Rücken frei, dem Wächter, der ihn angriff, verpasste er
ein paar rasche Schläge mit dem Krummsäbel.
Die Sperren und Balken fielen mit Getöse herunter, die von außen aufgestoßenen Flügel des Tores schwangen auf, mit donnerndem
Hufschlag stürmten die Reiter durchs Tor, hinter ihnen das Fußvolk mit Geschrei. Das Pflaster hallte wider vom Hufschlag,
wie ein Strom ergossen sich die Waisen in die Stadt, direkt auf die Münsterberger Straße.
»Gute Arbeit, Reynevan!«, rief Jan Královec von Hrádek und riss sein Pferd schwungvoll knapp vor ihm herum. »Gute Arbeit war
das mit diesem Tor! Ich habe jetzt eine andere Meinung von dir! Man lobt dich mit Recht! Und jetzt vorwärts, vorwärts! Die
Stadt ist noch nicht in unserer Hand!«
Als sie auf den Marktplatz stürmten, sah es so aus, als habe sich Královec geirrt, und Frankenstein sei schon in der Hand
der Waisen. Das Haus des Abtes der Zisterzienser von Heinrichau brannte, die Tuchlauben brannten, Kramläden und Buden standen
in Flammen, Rauch und Feuer drang auch aus den Fenstern der Zunfthäuser. Der Sturm auf das Rathaus hielt noch an, das Kampfgeschrei
der Angreifer wurde übertönt von den hellen Schreien der Todgeweihten, Leute, die man aus den Fenstern warf, fielen direkt
in die aufgerichteten Spieße und Hellebarden. Auch in den Gewölben der Steinhäuser am Markt hielt das Gemetzel an. Vom Südteil
der Stadt her erklang immer noch Geschützlärm, anscheinend verteidigte |555| sich das von Kolda von Žampach angegriffene Schloss noch immer. Aber der Glockenturm von St. Anna stand bereits in Flammen.
Hussitisches Fußvolk drang auf den Marktplatz. Hinter ihnen Reiter unter der Führung von Matĕj Salava. Das Gesicht des jungen
Ritters war rußgeschwärzt, in der Hand hielt er ein bluttriefendes Schwert. »Dorthin!«, befahl Královec, mit seinem Streitkolben
die Richtung vorgebend und sein in den Blutlachen immer wieder ausrutschendes Pferd zügelnd. »Wir werden hier schon allein
fertig! Lauft ihr dorthin! Zum Dominikanerkloster! Auf zum Kloster, Gottesstreiter!«
»Also, Jungs«, Reynevan drehte sich um, »zum Kloster! Kommt, wir laufen, Scharley, Řehors ...«
»Ja, wir laufen, tapferer Reynevan Toröffner!«
»Tauler, bist du da? Samson?«
»Ich bin da.«
Salavas Reiterei, die bei den Häuserkämpfen fehl am Platz war, verschwand in den Gassen und überließ dem Fußvolk den Sturm
auf das Dominikanerkloster. Etwa hundert Mann, angeführt von Smil Půlpán, dem Unterhauptmann von Nachod, einem dicklichen
Kerl mit einem bis auf die blanke Haut geschorenen Kopf. Reynevan kannte ihn. Er war ihm früher schon begegnet.
»Los, auf sie!«, brüllte Smil Půlpán und wies mit dem Schwert die Kampfrichtung. »Los, auf sie, Brüder! Schlagt! Stecht!«
Die Hussiten stürzten sich mit Gebrüll in den Angriff, der vom Hagel der Geschosse immer wieder zerstreut wurde. Aber jedes
Mal griffen sie sofort wieder an.
»Los, auf sie! Tod den Papisten!«
Unterstützt von Bürgern und Zunftmitgliedern, verteidigten die Dominikaner eifrig und verbissen ihren Sitz, aber dies war
ein aussichtsloses Unterfangen. Die Übermacht der Waisen war erdrückend, die Heftigkeit ihres Angriffes furchterregend. |556| Die Mönche wichen unter dem Ansturm, zogen sich zurück, ließen Tote in weißen Habiten zurück und überließen den Hussiten nach
und nach die einzelnen Gebäude des Klosters.
Die letzte Bastion der Verteidigung war die Kirche zum heiligen Kreuz, ihre Vorhalle und der verbarrikadierte Haupteingang.
Die Mönche kämpften hier bis zum letzten Armbrustbolzen und bis zur letzten Kugel aus dem Schießrohr. Und bis zum letzten
Mann.
Als die durch den Widerstand wütend gewordenen Waisen über die Körper der Toten hinweg ins Presbyterium eindrangen, sahen
sie im Widerschein des durch die bunten Glasfenster dringenden Lichts des Regenbogens nur noch Männer, die am Leben waren.
Einer kniete mit gesenktem Kopf vor dem Altar, direkt beim Antependium. Der zweite schützte den Knienden mit seinem Leib und
einem Kruzifix.
»Templum Dei sanctum est!«
Seine dünne Stimme stieg ins Gewölbe hoch und klang von dort in einem Echo zurück. »Wer Gottes Heiligtum vernichtet, vernichtet
Gott! Weicht, ihr Höllenmächte! Weicht, Satane und Häretiker, bevor Gott euch verbrennt!«
»Das ist Johann Buda«, beeilte sich einer der mit den
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