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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hinter den Schießscharten,
     die Armbrüste schussbereit. »Die Tore sind geschlossen! Wir lassen niemanden in die Stadt!«
    »Wir sind aus Kamenz!«, krähte Řehors unter seiner Mönchskapuze hervor. »Zisterzienser! Wir sind durch die Wälder vor dem
     Massaker geflohen! Das Kloster steht in Flammen! Öffne das Tor, guter Mann!«
    |552| »Sonst noch was? Es ist verboten! Verstehst du, Mönch! Ich darf nicht!«
    »Im Namen Gottes, lasst uns ein!«, rief Reynevan flehend. »Ihr Brüder in Christus! Die Ketzer sind uns auf den Fersen! Überlasst
     uns nicht dem Verderben! Belastet euer Gewissen nicht mit unserem Blut! Öffnet!«
    »Was weiß ich denn, wer ihr seid? Womöglich verkleidete Hussiten?«
    »Wir sind Mönche, gute und fromme Christen! Zisterzienser aus Kamenz! Seht ihr unsere Habite nicht? Macht auf, beim lebendigen
     Gott!«
    »Wenn ihr wirklich Zisterzienser aus Kamenz seid«, forderte der Wachmann, »dann sagt mir, wie heißt euer Abt?«
    »Nikolaus Kappitz!«
    »Was für einen Psalm singt ihr zur
Laudes
am Sonntag und an den Feiertagen?«
    Reynevan und Bisclavret blickten sich fragend an. Scharley rettete die Situation.
    »Den Psalm der drei Jünglinge«, erklärte er selbstsicher.
»Benedicite Dominum.«
    »Singt ihn!«, befahl der Wächter. »Aber laut! Oder wir spicken euch mit Bolzen!«
    »Benedicite, omnia opera Domini, Domino!«,
plärrte der Demerit mit falscher Stimme und rettete erneut die Situation.
»Laudate et superexaltate eum in saecula! Benedicite, caeli, Domino, benedicite, angeli Domini   ...«
    »Das sind tatsächlich Mönche«, behauptete der Bruder von Heiligen Grabe im Brustton der Überzeugung. »Die müssen wir einlassen!
     Schiebt die Riegel zurück. Macht schnell!«
     
    Und dann zeigte sich, das war Verrat, das waren keine Mönche, sondern Häretiker,
qui se Orphanos appellaverunt,
in Mönchsgewänder gekleidet, die sie den Zisterziensern ausgezogen hatten, als sie
in feria III Paschae monasterium Cisterciense de Kamenz
überfallen hatten, das
eodem die effractum et concrematum |553| est.
Keine Schäflein Gottes waren dies, sondern Wölfe,
lupi in vestimento ovium
, dieselben Verräter, die sich Vogelsang nannten, Judasse und Lumpen ohne Treu und Glauben. Auf nichtswürdige Weise hatten
     sie sich durch das Tor gedrängt, das durch Unachtsamkeit geöffnet worden war, hatten die Wachen überwältigt, und hinter ihnen
     her kamen andere
Orphani,
die bislang auf dem Wagen unter einer Plane, wie einst die Achaier in jenem hölzernen Pferd, verborgen waren. Sie töteten
     die Wachen, öffneten das Tor, und schon sprengten die
equites
der Häretiker im Galopp herein, dahinter das Fußvolk in vollem Lauf, und zwei Vaterunser später waren schon dreihundert Mann
     eingedrungen, und immer neue kamen hinzu. Und verbreiteten großen Schrecken   ...
     
    Als sie die Neue Straße unter dem Neustädter Wall entlangliefen, wagte es keiner, sich ihnen in den Weg zu stellen. Sie waren
     nur etwa zwanzig Mann, machten aber Lärm und Geschrei für hundert. Die Hussiten schrien und lärmten, sie klapperten mit hölzernen
     Rasseln. Bisclavret und Řehors bliesen in Messinghörner, Scharley schlug auf eine blecherne Zimbel ein. Die erschrockenen
     und durch den entsetzlichen Lärm verstörten Einwohner Frankensteins stoben vor ihnen davon und rannten zum Markt. Nur ein
     einziges Mal wurden sie völlig ziellos beschossen, mit Armbrüsten und Selbstzündern aus einem Fenster der Brauerei. Sie hielten
     weder im Laufen inne noch hörten sie auf zu lärmen. Von Süden her, von dem mit List eingenommenen Glatzer Tor, und bald darauf
     auch von Westen nahmen das Geschrei und das Gedröhn der Geschütze gewaltig zu. Die Hussiten stürmten wohl bereits das Schloss
     und die Kirche St. Anna.
    Sie rannten. In der Unteren Wäschergasse wurden sie erneut beschossen, diesmal erfolgreicher, zwei Tote blieben im Rinnstein
     liegen. Mit einer aufs Geratewohl abgeschossenen Salve aus Armbrüsten begrüßte sie die mehr als zehnköpfige Wache am Münsterberger
     Tor, den Schützen zitterten die Hände, was |554| nicht verwunderlich war, sahen sie doch schon den von den Dächern aufsteigenden schwarzen Rauch und hörten die Schreie derer,
     denen der Tod drohte.
    Sie drangen sofort wütend auf die Wachen ein, es war, als wollten sich die Waisen für ihren mörderischen Lauf entschädigen.
    Sofort gab es Tote, Blut färbte das Pflaster vor dem Tor. Reynevan beteiligte sich nicht am Kampf, mit Tauler und

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