Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Hals. Die sechs Meilen, die Altwilmsdorf von Münsterberg trennten,
     hatte er in wahrhaft imponierenden anderthalb Stunden zurückgelegt. Mit dem Ergebnis, dass das Pferd vollkommen ausgepumpt
     war. Den letzten Teil des Weges schleppte es sich nur noch jämmerlich dahin. Mit Pausen.
    Die Krähe erhob sich vom Kopf des Gehenkten, flog davon und krächzte, um sich gleich darauf etwas höher, auf dem Querbalken
     des Galgens, niederzulassen.
    »Reinmar von Bielau, nehme ich an?«
    Der Mann, der diese Frage gestellt hatte, war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Als wäre er plötzlich aus der Erde gewachsen.
     Er saß auf einem scheckigen Pferd. Gekleidet war er wie ein Bürger. Er hatte ein unauffälliges Gesicht und sprach mit polnischem
     Akzent.
    »Reinmar von Bielau, selbstverständlich«, beantwortete er sich seine Frage selbst. »Ich warte hier auf Euch.«
    |704| Statt zu antworten, griff Reynevan nach seinem Schwert. Der Mann mit dem unauffälligen Gesicht verzog keine Miene.
    »Ich warte hier ohne böse Absichten«, sagte er ruhig. »Nur deshalb, weil ich Nachrichten zu überbringen habe. Wichtige Nachrichten.
     Darf ich sprechen? Werdet Ihr mich ruhig anhören?«
    Reynevan hatte nicht die Absicht, auf diese Frage mit Ja zu antworten. Der Fremde bemerkte dies. Als er sprach, klang seine
     Stimme verändert. Eine metallischer, böser Ton klang darin auf.
    »Du hast keinen Grund, in die Stadt zu reiten, Reinmar von Bielau. Du bist schnell geritten, hast dein Pferd nicht geschont.
     Und doch bist du zu spät gekommen.«
    Reynevan beherrschte seine plötzlich aufkommende Verzweiflung. Er kämpfte mit seiner Schwäche. Er bezwang das Klopfen seines
     Herzens, das er bis in den Hals hinauf spürte. Die Hände, die zu zittern begannen, versteckte er unter dem Sattelknopf. Er
     biss die Zähne zusammen, bis es wehtat.
    »Das Fräulein, zu dessen Rettung du herbeigeeilt bist, befindet sich nicht mehr in Münsterberg«, sagte der Fremde. »Ganz ruhig!
     Keine Torheiten! Geduld, mehr Geduld! Hör mich an   ...«
    Reynevan dachte nicht daran zuzuhören. Er zog sein Schwert und gab seinem Pferd die Sporen. Das Pferd zuckte zusammen, scharrte
     mit den Hufen, schnaubte, bäumte sich auf und wandte den Kopf. Es wich nicht einen Zoll von der Stelle.
    »Mehr Geduld«, wiederholte der Unbekannte. »Mach keine Dummheit. Dein Pferd bewegt sich nicht von der Stelle, und du kannst
     nicht näher an mich herankommen. Hör mich an, bitte.«
    »Rede! Rede! Was ist mit Jutta?«
    »Fräulein Jutta de Apolda ist heil und gesund. Aber sie hat Münsterberg verlassen.«
    »Woher   ...« Reynevan atmete tief durch. »Woher soll ich wissen, dass du nicht lügst?«
    |705| Der Unbekannte lächelte böse.
    »Veritatem dicam, quam nemo audebit prohibere«
, sein gutes Latein verriet ebenfalls durch den Akzent, dass er Pole war. »Fräulein Jutta weilt nicht mehr in Münsterberg.
     Wir fanden, dass ihre Sicherheit in den Händen Herzog Johanns nicht gewährleistet sei. Dass die Leute, deren Obhut sie der
     Herzog anvertraut hatte, ihre körperliche Unversehrtheit nicht garantierten. Also haben wir beschlossen, Fräulein Jutta aus
     dem Münsterberger Gefängnis zu erretten. Das ist uns geglückt, wir haben sie gerettet. Und wir haben sie, wenn ich mich so
     ausdrücken darf,
sub tutelam
genommen.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »An einem sicheren Ort. Ruhig, junger Mann, ganz ruhig. Ihr droht nichts. Ihr wird kein Haar gekrümmt. Sie befindet sich,
     wie ich schon andeutete, unter unserer Obhut.«
    »Unter wessen Obhut? Unter wessen, verdammt noch mal?«
    »Du bist überraschend phantasielos.«
    »Die Inquisition?«
    »Tu dicis.«
Der Unbekannte lächelte. »Du sagst es.«
    Reynevan versuchte erneut, sein Pferd dazu zu bringen, sich in Bewegung zu setzen, aber es schnaubte nur und stampfte auf.
    »Andere verbrennt ihr der Magie wegen.« Er spuckte aus. »Beschissene Heuchler seid ihr! Ich frage nicht, was ihr von mir wollt,
     auch nicht, was das Ziel dieser Erpressung ist. Und ich warne euch ganz ehrlich und aufrichtig: Eben erst habe ich so einen
     erpresserischen Hurensohn getötet. Und ich habe mir fest vorgenommen, alle anderen, ganz gleich, wer sie sind, ebenfalls umzubringen.
     Das kannst du Gregor Hejncze sagen. Und dich, du Bote, werde ich auf die Warteliste setzen, da kannst du sicher sein. Du wirst
     weder den Tag noch die Stunde kennen.«
    »Geduld, Reinmar, Geduld.« Der Unbekannte verzog den Mund. »Beherrsche dich, und zügle dich. Denn

Weitere Kostenlose Bücher