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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Dezember 1428 oder, wie der Chronist sagen würde,
vicesima septima die mensis Decembris Anno Domini MCCCCXXVIII.
Er fiel in der Schlacht, die bei einem Dorfe mit dem Namen Altwilmsdorf eine Meile westlich von Glatz geschlagen wurde. Wie
     einige Chronisten meinen, fiel er wie sein Urur- – oder wie auch immer – -großvater Heinrich der Fromme:
pro defensione christianae fidei et suae gentis.
Andere sagen, er sei durch eigene Dummheit umgekommen. Wie auch immer, er fiel. Er starb.
    Und die männliche Linie der Piasten von Münsterberg starb mit ihm aus.
     
    Die Schlacht dauerte immer noch an. Einige Schlesier, denen die Flucht nicht gelungen war, leisteten verzweifelten Widerstand.
     Sie hatten einen Kreis gebildet und wehrten die heftigen Angriffe der Waisen ab. Einige von ihnen kämpften allein. Etwa Georg
     Zettritz, der Anführer der Breslauer. Zwei Pferde hatte man ihm schon erschlagen, das erste gleich zu Beginn der Schlacht
     vor der Wagenburg, das zweite während der Flucht. Damit fehlte ihm die Möglichkeit, schnell zu fliehen. Er hatte keinen Helm
     mehr, seine Haare waren blutbeschmiert, und er war zudem am Bein verwundet, ein hussitischer Speer hatte ihn am Oberschenkel
     getroffen und den Schurz seiner Nürnberger Rüstung durchbohrt. Das Blut rann über die Beinschienen. Der an einer Weide am
     Feldrain lehnende Zettritz schwankte, er konnte kaum noch stehen, hieb aber tapfer mit seinem Anderthalbhänder um sich, hielt
     sich die ihn umgebenden Angreifer vom Leibe und schlug auf die allzu lästigen ein, dass es nur so schepperte. Es lagen schon
     beachtlich viele Erschlagene im Kreis um ihn herum, bis es endlich einem der Böhmen gelang, ihn mit dem Schwert an der Wange
     so zu verwunden, dass die zerschlagenen Zähne knirschten. Zettritz schwankte, aber er blieb auf den Beinen. Er spuckte Blut
     auf seinen Brustpanzer und fluchte lästerlich. |702| Und er wehrte seine Angreifer weiter mit seinem Anderthalbhänder ab.
    »Bei meiner Ehre, Herr Zettritz«, rief der im Schritt heranreitende Brázda von Klinštejn. »Sollte es nicht genug sein?«
    Georg Zettritz spuckte Blut. Er blickte auf die Sturmleitern auf Brázdas Brust. Dann atmete er tief auf. Er fasste sein Schwert
     an der Klinge und hob es hoch, zum Zeichen, dass er sich ergab. Dann fiel er in Ohnmacht.
     
    »Gott hat gesiegt«, sagte Jan Královec von Hrádek mit müder Stimme.
    »Gott hat es so gewollt«, setzte er ohne jegliches Pathos hinzu. »Das Horn von Moab wurde abgeschlagen und sein Arm zerbrochen.«
    »Gott hat gesiegt!« Der Pole Piotr hob sein blutiges Schwert. »Wir haben gesiegt, Gottesstreiter! Die hochmütige deutsche
     Ritterschaft liegt hier im Staub! Wer soll uns jetzt noch aufhalten?«
    »Wir haben Kratzau gerächt!«, rief Matĕj Salava z Lipé und wischte sich das Blut vom Gesicht. »Gott ist mit uns!«
    »Gott ist mit uns!«
    Das Triumphgeschrei aus den tausend Kehlen der Gottesstreiter schien Dämmerung und Nebel endgültig zu vertreiben. Durch den
     Rauch der Brände stieg ein neuer, heller Tag herauf.
Dies illucescens.
     
    »Ich muss reiten«, wiederholte Reynevan, äußerst bemüht, seine Zähne zusammenzubeißen, die plötzlich anfangen wollten zu klappern.
     »Ich muss wegreiten, Bruder Jan.«
    »Wir haben sie aufgerieben«, wiederholte Jan Královec von Hrádek. »Wir haben das Horn von Moab abgeschlagen. Johann von Münsterberg
     ist tot, Schweidnitz und Breslau sind dezimiert. Schlesien ist unserer Gnade ausgeliefert. Willst du Rache? Dann komm mit
     uns.«
    »Ich muss reiten.«
    |703| Die Sonne kämpfte sich durch die Wolken. Ein frostiger Tag kündigte sich an. Der siebenundzwanzigste Dezember 1428.   Der Montag nach der Geburt des Herrn.
    Královec schöpfte tief Luft.
    »Ha, wenn du musst, dann musst du   ... Also reite! Mit Gott!«
     
    Auf dem Kopf des Gehenkten hockte eine Krähe.
    Der Tag, obgleich frostig, war hell und sonnig, und es war fast windstill. Der Gehenkte schaukelte nur ganz leicht und drehte
     sich an seiner knarrenden Schnur, was die Krähe überhaupt nicht zu stören schien. Die Krallen fest in den spärlichen Haarresten
     der Leiche vergraben, pickte sie dort heraus, was es herauszupicken gab.
    Die Dachziegel der Türme von Münsterberg glänzten in der Sonne. Den Weg entlang in Richtung Grottkauer Tor zog eine endlose
     Reihe von Flüchtlingen. Die Nachricht von den heranziehenden Hussiten hatte sich rasch verbreitet.
    Reynevan klopfte seinem Pferd den schaumbedeckten, klebrigen

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