Gottesstreiter
als fatal. Als die schlimmste von allen, die überhaupt möglich waren. Nicht genug damit,
dass man sie vor dem Hintergrund des brennenden Schwedeldorf so deutlich sehen konnte, als säßen sie einem auf der Handfläche,
war auch das Ufer des Flüsschens trügerisch, weil es nie zufror. Kaum berührten die schweren Gäule der Ritter mit ihren Hufen
die dünne Eisschicht an der Oberfläche, sanken sie ein. Manche bis zum Bauch.
Noch bevor sie ihre bedrohliche Lage ganz erfasst hatten, saßen ihnen auch schon die Verfolger im Nacken, und um sie herum
wimmelte es von hussitischen Reitern. Risin heulte auf, von Speeren durchbohrt. Kurzbach schluchzte, er kauerte sich |699| im Sattel zusammen, erhielt einen Schlag mit dem Streitkolben auf den Kopf, unter seinem Helm drang ein lauter Schrei hervor,
er rutschte aus dem Sattel und fiel vom Pferd. Borschnitz brüllte auf und hieb mit seinem Schwert um sich, die anderen folgten
seinem Beispiel. Johann von Münsterberg hatte sein Schwert auf der Flucht verloren, beim Anblick der ihn umringenden Hussiten
griff er nach der Streitaxt an einem Sattel und schwang sie unter lauten Verwünschungen, in seiner Panik aber so ungeschickt,
dass der krumme Schaft seinen Händen entglitt und die Axt davonflog. Die Hussiten griffen ihn von allen Seiten an. Er erhielt
einen Hieb in den Rücken, dann auf den Kopf, unter seinem Helm drang ein wüster Schrei hervor, er glitt aus dem Sattel und
stürzte. Noch einmal versuchte er aufzustehen und erhielt erneut einen Schlag, diesmal in die Seite, seine Rüstung verformend.
Darunter brachen die Rippen, der Herzog würgte, es nahm ihm den Atem. Wieder erhielt er einen Schlag, er fiel auf den Rücken.
Er sah, wie Blut in Strömen auf das zersplitterte Eis rann. Er hörte, wie der von Schwertern durchbohrte Kurzbach mit dünner
Stimme aufheulte. Wie Borschnitz schrie, als sie ihn erschlugen. Dann begann er selbst zu schreien.
»Gnade! Gnaaaade!«, heulte er, während er seinen Helm vom Kopf riss. »Ich bin der Herzog ...«
»Hodie mihi, cras tibi.«
Den Herzog schauderte. Er hatte Reynevan erkannt.
Reynevan stellte ihm einen Fuß auf die Brust. Dann hob er hoch, was er in Händen hielt. Der Herzog sah, was es war. Und ihm
wurde schlecht.
»Neeeiiin!«, winselte er wie ein Hund. »Tu das nicht! Ich habe meine Befehle gegeben! In Münsterberg! Das Mädchen stirbt!
Wenn du mich anrührst, stirbt das Mädchen!«
Reynevan hob den Spieß, so hoch es ging. Und mit aller Gewalt, mit seiner ganzen Kraft stieß er ihn dem Herzog in den Bauch.
Die vierkant geschliffene Spitze durchbohrte die Stränge |700| des Schurzes. Der Herzog schrie vor Schmerz, zog zuckend die Beine an und griff mit beiden Händen nach dem Schaft. Reynevan
drückte ihn mit dem Fuß zu Boden und riss den Spieß heraus.
»Ablöööse!«, heulte Johann. »Ich zahle Ablööse! Gooold! Jeesuus Christuuus! Erbaaarmeen!«
Erneut holte Reynevan gewaltig aus. Die Spitze des Spießes bohrte sich in den Spalt zwischen Brustpanzer und Schurz, grub
sich bis über den Widerhaken ein. Johann von Münsterberg schrie, verschluckte sich, ein Blutschwall drang ihm aus dem Mund
und tropfte auf Kinn und Rüstung.
»Gnaaade ... Gnaa ... Aaaah ...«
Es kostete Reynevan einige Mühe, die Klinge, die sich verfangen hatte, herauszuziehen, endlich gelang es ihm. Er hob den Spieß
und stieß zu. Die Spitze durchbohrte das Blech. Herzog Johann konnte schon nicht mehr schreien. Er stöhnte nur. Und übergab
sich. Das Blut spritzte einen halben Klafter hoch.
Reynevan drückte seinen Fuß gegen den Brustpanzer und versuchte wieder, die verkeilte Spitze freizubekommen.
»Weißt du was, Bielau?«, sagte Jan Kolda, der neben ihm stand. »Ich denke, der hat genug.«
Reynevan ließ den Spieß los. Er hatte Mühe, den Krampf in seinen Fingern zu lösen. Er trat einen Schritt zurück. Und schauderte
ein wenig. Dann beherrschte er sich. Kolda räusperte sich lange und spuckte aus.
»Er hat genug«, sagte er noch einmal. »Wirklich genug.«
»Ja, sieht wohl so aus.« Reynevan nickte. »Wohl wirklich genug.«
So also starb Johann, der Herzog von Münsterberg, ein Fürst aus dem Geschlecht der Piasten, in direkter Linie ein Nachkomme
von Siemowit und Mieszko, Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische eines Boles ław Chrobry und eines Boles ław Krzywousty,
und so eine Grabinschrift sollte er sich |701| auch erwerben. Er starb am siebenundzwanzigsten
Weitere Kostenlose Bücher