Gottesstreiter
Stietencron.«
»Sie hätten sie mit sich schleppen können. Wisst Ihr, nur so zum Vergnügen ... Sie haben sich mit ihr vergnügt, ihr dann die Kehle durchgeschnitten und ihre Leiche irgendwo in den Wald zwischen die
entwurzelten Bäume geworfen. So hätte es sein können.«
»Sie hat überlebt.«
»Woher wisst Ihr das?«
»Stell keine Fragen, Raabe. Finde sie. Ich reise jetzt ab. Wenn ich zurückkomme ...«
»Wo reist Ihr hin?«
Der Eisenäugige blickte ihn an. So, dass Tybald Raabe kein zweites Mal fragte.
Gregor Hejncze, der
inquisitor a Sede Apostolica specialiter deputatus
der Diözese Breslau, überlegte lange hin und her, ob er zu dieser Hinrichtung gehen sollte oder nicht. Lange Zeit erwog er
das Für und Wider. Entschieden mehr sprach dagegen, allein schon die Tatsache, dass diese Hinrichtung auf Anordnung der bischöflichen
Inquisition, also der Konkurrenz, erfolgte und in ihre Zuständigkeit fiel. Dafür sprach hingegen nur eines: Es war nicht weit
bis dorthin. Die der Häresie |174| und der Gefolgschaft der Hussiten für schuldig Befundenen sollten dort verbrannt werden, wo dies immer stattzufinden pflegte
– auf dem Platz vor der St.-Adalbert-Kirche, der durch die Füße von hunderten von Schaulustigen, die sich an fremdem Leid
und Tod ergötzten, längst wie festgestampft war.
Nachdem er das Für und Wider erwogen und sich ein wenig über sich selbst gewundert hatte, begab Gregor Hejncze sich doch zu
jener Hinrichtung. Unerkannt, in einer Gruppe von Dominikanern verborgen, in deren Mitte er auf einer Tribüne Platz fand,
die für die Geistlichkeit und Zuschauer höheren Ranges und mit Vermögen vorgesehen war. Als einer von ihnen machte es sich
auf der Mitteltribüne, auf einer mit karmesinrotem Atlas ausgeschlagenen Bank, Konrad von Oels, der Bischof von Breslau, Veranstalter
und Sponsor dieses Spektakels, gemütlich. Ihn umgaben mehrere Geistliche, unter ihnen der greise Notar Georg Lichtenberg sowie
Hugo Watzenrode, der seit kurzem den von seinem Amt als Präpositus von St. Johannes dem Täufer abberufenen Otto Beess ersetzte.
Dort war selbstverständlich auch Johann Sneschewitz, der Vikar
in spiritualibus
des Bischofs. Und auch der Leibwächter des Bischofs, Kutscher von Hunt. Birkhart Grellenort war nicht dabei.
Die Vorbereitungen zur Hinrichtung waren schon weit vorangeschritten, die Verurteilten, acht Personen, wurden bereits von
den Henkersknechten über Leitern auf die Stöße gezerrt und mit Ketten an die mit Reisigbündeln und Scheiten umlegten Pfähle
gebunden. Die Stöße waren, der neuesten Mode entsprechend, ungewöhnlich hoch.
Selbst wenn Gregor Hejncze einen Moment an den Absichten des Bischofs gezweifelt hätte, so hätten sich diese jetzt zerstreut.
Aber der Inquisitor hegte keine Zweifel. Von Anfang an hatte er gewusst, dass diese Veranstaltung des Bischofs eine gegen
ihn gerichtete Demonstration der Macht war. Dass er unter |175| den Verurteilten auf den Scheiterhaufen einige wiedererkannte, bestätigte nur seine Annahme.
Er erkannte drei von ihnen. Einer, ein Altardiener von St. Elisabeth, hatte ein wenig zu viel von Wyclif, Joachim von Fiore,
dem Heiligen Geist und der Reform der Kirche geschwatzt, während der Untersuchung durch die päpstliche Inquisition aber rasch
seinen Aussagen abgeschworen und bereut, und nach der formellen
revocatio et abiuratio
war er dazu verurteilt worden, eine Woche lang das Büßergewand mit dem Kreuz zu tragen. Der Zweite, ein Maler und Mitgestalter
des herrlichen Polyptychons, das den Altar von St. Ägidius zierte, war aufgrund einer Anzeige vor das päpstliche Inquisitionstribunal
gelangt. Nachdem sich die Anzeige als haltlos erwiesen hatte, war er freigelassen worden. Der Dritte, der Inquisitor hätte
ihn fast nicht wiedererkannt, denn man hatte ihm die Ohren zerquetscht und die Nasenflügel ausgerissen, war ein Jude, der
vor längerer Zeit wegen Lästerung und Entweihung der Hostie angeklagt worden war. Die Anklage hatte sich als falsch erwiesen,
also hatte man auch ihn freilassen müssen. Die Nachricht davon musste jedoch bis zum Bischof und zu Sneschewitz vorgedrungen
sein, denn jetzt fanden sich alle drei auf dem bischöflichen Scheiterhaufen wieder, mit Ketten an die Pfähle gebunden. Ohne
auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, dass sie ihr Schicksal den Differenzen zwischen der bischöflichen und der päpstlichen
Inquisition zu verdanken hatten. Dass der Bischof
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