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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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in Kürze befehlen würde, das Reisig unter ihren Füßen anzuzünden, um damit
     den päpstlichen Inquisitor zu ärgern.
    Wie viele von den übrigen Verurteilten heute lediglich deswegen sterben mussten, weil der Bischof demonstrieren wollte, wie
     groß seine Macht war, wusste Hejncze nicht. Er erkannte sonst niemanden. Erkannte kein einziges Gesicht mehr. Weder das der
     Frau mit dem kahl geschorenen Schädel und den aufgeplatzten Lippen, noch das des jungen Kerls, dessen Füße mit blutdurchtränkten
     Lappen umwickelt waren. Auch nicht |176| das des weißhaarigen Greises mit dem Äußeren eines biblischen Propheten, der den Henkersknechten zu entkommen suchte und schrie   ...
    »Euer Hochwürden   ...«
    Er wandte sich um. Zog den Rand seiner Kapuze aus dem Gesicht.
    »Seine Hochwürden, Bischof Konrad, bittet Euch zu sich.« Ein junger Kleriker verneigte sich vor ihm. »Wenn Euer Hochwürden
     mir folgen wollen. Ich gehe voran.«
    Was sollte er tun?
    Der Bischof machte, als er ihn erblickte, eine kurze und eher geringschätzige Handbewegung, auf den Platz an seiner Seite
     weisend. Sein scharfer Blick taxierte das Gesicht des Inquisitors und suchte darin nach einem Zeichen, das ihm Freude hätte
     bereiten können. Er fand nichts. Gregor Hejncze war mehrmals in Rom gewesen und hatte gelernt, gute Miene zu den bösesten
     Spielen zu machen.
    »In wenigen Augenblicken«, knurrte der Bischof, »erfreuen wir hier Jesus und die Gottesmutter. Und du, Pater Inquisitor, freust
     du dich?«
    »Unendlich.«
    Der Bischof brummte etwas, sog die Luft ein und fluchte vor sich hin. Man sah ihm an, dass er missmutig war, und es war auch
     klar, weshalb. Solange er in der Öffentlichkeit war, durfte er nicht trinken, und die Mittagszeit war schon teuflisch lange
     vorbei.
    »Sieh hin, Inquisitor, sieh hin! Und lerne daraus!«
    »Brüder!«, schrie der weißhaarige Greis von seinem Scheiterhaufen herab, sich am Pfahl windend. »Nehmt doch Vernunft an! Warum
     mordet ihr eure Propheten? Warum befleckt ihr eure Hände mit dem Blut eurer Märtyrer? Brüüüdeeer!«
    Einer der Henkersknechte rammte ihm scheinbar versehentlich den Ellenbogen in den Magen. Der Prophet knickte zusammen, röchelte
     und war still. Aber nicht lange.
    »Uuumkooommen werdet ihr!«, heulte er nun, zur lauten |177| Freude der Menge. »Uuumkoommen! Und das Volk der Ungläubigen wird kommen und die einen erschlagen und die anderen in Gefangenschaft
     schleppen, gierige Wölfe werden sich gegen euch mehren und Dunkelheit, die euch hinabzieht in die Tiefen des Meeres. So spricht
     der Herr: Deshalb stoße ich dich vom Berge Gottes   ... Zwischen feurigen Steinen sollst du verderben, deshalb werfe ich dich zu Boden und werfe dich vor das Antlitz der Könige
     wie einen knarrenden Schuh   ...«
    Die Meute brüllte und wogte im Freudentaumel.
    »Der Herr wird seinen Regen ausgießen über die Schlingen der Gottlosen, das Gebäude der Lügen zerschmettert der Hagel, und
     die Schlupfwinkel wird das Wasser zerstören!«
    »Hätte man diesen Verrückten nicht knebeln können?« Der Inquisitor konnte sich nicht mehr zurückhalten. »Oder auf andere Weise
     zum Schweigen bringen?«
    »Aber warum denn?« Konrad von Oels lachte dröhnend. »Die Leute sollen ruhig diese Trottel hören. Sie sollen was zu lachen
     haben. Das Volk arbeitet im Schweiße seines Angesichtes. Betet eifrig. Hat oft nichts zu beißen, besonders in der Fastenzeit.
     Sollen sie ruhig ein bisschen Spaß haben. Lachen entspannt.«
    Die Menge war offensichtlich derselben Meinung, jeder neue Ausruf des Propheten wurde mit Gelächter quittiert. Die ersten
     Reihen der Schaulustigen hatten sich vor Vergnügen hingehockt.
    »Ihr werdet uuumkoommen!«
    »Wird denn keinem Erbarmen gewährt?« Wieder konnte Gregor Hejncze sich nicht mehr zurückhalten, als er sah, was da im Gange
     war. »Haben die Henker keine Anweisungen erhalten?«
    »Aber natürlich!« Der Bischof bedachte ihn endlich mit einem unverhohlen triumphierenden Blick. »Und sie halten sich auch
     ganz genau daran. Denn hier, Gregor, wird keinerlei Nachsicht geübt!«
    Die Knechte entfernten die Leitern und traten einige Schritte |178| zurück. Der Henker kam mit seiner an einem Teerfass entzündeten Fackel nach vorne. Der Reihe nach entzündete er die Scheiterhaufen,
     mit den Reisigbündeln schürte er das Feuer, dass es knackte, Rauchschwaden stiegen empor. Die Verurteilten reagierten unterschiedlich.
     Einige begannen zu beten. Andere wie

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