Gotteszahl
Arbeitszimmer zugeschlagen war, wandte sie sich wieder ihrem Ehemann zu. »Es ist ganz unnötig, mit Kristen zu sprechen, Lieber.«
»Aber ich muss …«
»Du, das hat Zeit bis heute Abend, ja? Ich muss los. Hier ist schrecklich viel zu tun. Wir reden nachher weiter.«
Ohne auf Antwort zu warten, legte sie auf.
Während sie ihren Mantel anzog, verspürte sie einen kleinen, ihr sonst unbekannten Gewissensbiss. Es gehörte sich vielleicht doch nicht ganz, Unterlagen, bei denen sie unter Schweigepflicht stand, mit nach Hause zu nehmen. Aber ihr Mann zählte doch nach all den Jahren fast als Teil von ihr.
Von irgendeinem Kontakt zwischen Kristen Faber und ihrem Mann wollte sie jedenfalls nichts wissen.
Bjarne sagte ja nur zu leicht ein wenig zu viel.
»Bist du gerannt, Herzchen? Du bist ja pitschnass.«
Inger Johanne drückte ihre Tochter an sich, und Kristiane schlang die Arme um sie und wollte sie nicht loslassen.
»Den ganzen Weg vom Tåsensenter«, sagte sie. »Und ich hatte so eine schöne Woche bei Papa. Bist du ohne mich einigermaßen zurechtgekommen?«
»Einigermaßen«, sagte Inger Johanne und küsste sie auf die Haare. »Und du?«
Diese Frage galt Isak. Er stellte Kristianes Tasche auf den Boden, schob die Hände aber gleich wieder in die Jackentaschen. Er sah müde aus. Sein Lächeln kam nicht bei den Augen an, und er schien nicht so recht zu wissen, ob er bleiben oder sofort gehen sollte.
»Möchtest du reinkommen?«
»Danke, aber …«
Er zog die Hände aus den Taschen und umarmte Kristiane. »Kannst du nicht schon mal zu Ragnhild hochgehen, Schatz? Ich muss nur schnell mit Mama reden. Okay? Hab dich lieb. War schön mit dir.«
Kristiane lächelte, nahm ihre Tasche und schleifte sie die steile Treppe hoch.
»Ich will am Wochenende in die Berge«, sagte Isak. »Kann ich Jack so lange behalten?«
»Aber sicher.«
Der gelbe Hund saß mit schräg gelegtem Kopf auf der Treppe.
»Aber was ist denn los?«, fragte Inger Johanne. »Stimmt was nicht?«
»Nein, aber …«
Er holte Atem und sagte zögernd: »Ich will dir wirklich keine Sorgen machen, aber …«
Inger Johanne packte seine Hand. Die war eiskalt. »Ist irgendwas mit Kristiane?«, fragte sie gehetzt.
»Nein«, sagte er. »Oder … eigentlich nicht. Es war wunderbar mit ihr. Es ist nur, dass …«
Er trat vom rechten auf den linken Fuß und lehnte sich an die andere Seite des Türrahmens.
»Es wird so kalt«, sagte Inger Johanne. »Komm wenigstens rein. Bleib sitzen, Jack. Bleib sitzen!«
Mann und Hund gehorchten. Isak stellte sich mit dem Rücken zur Wand.
Inger Johanne setzte sich ihm gegenüber auf die Treppe. »Was ist los?«, fragte sie ängstlich. »Sag schon.«
»Ich glaube …«
Wieder verstummte er.
»Sag es endlich«, flüsterte Inger Johanne.
»Ich habe das seltsame Gefühl, dass jemand mich überwacht. Das heißt, dass jemand …«
Er sah aus wie ein Junge, als er dort stand. Seine Jacke war falsch zugeknöpft, und er konnte nicht still stehen. Sein Blick irrte umher, dann blieb er endlich an ihrem haften. Sie wartete nur darauf, dass er auch noch mit dem Fuß scharrte.
»Du gehst jetzt jedenfalls nicht«, sagte sie ruhig und erhob sich.
Er zog beide Hände aus den Taschen und machte eine hilflose Bewegung. »Aber ich kann es nicht richtig erklären«, sagte er kleinlaut. »Es ist irgendwie so …«
»Du bleibst hier«, sagte sie, ließ Jack herein und schloss die Tür ab.
Sie rüttelte an der Klinke, um sicherzugehen, dass der Riegel eingeschnappt war. »Du wirst nämlich mit Yngvar sprechen.«
»Inger Johanne«, sagte er und griff nach ihrem Arm. »Bedeutet das, dass ich recht habe? Weißt du, ob jemand …«
»Es bedeutet nur das, was ich gerade gesagt habe«, sagte sie, ohne sich von seinem Griff zu befreien. »Du wirst das Yngvar erzählen, mir will er nämlich nicht glauben.«
Er ließ los, und sie drehte sich um und ging vor ihm die Treppe hoch.
Ich habe ihm aber auch keine Gelegenheit gegeben, dachte sie und beschloss, zum x-ten Mal innerhalb von drei Stunden seine Nummer zu wählen.
Sicher war er außer sich vor Wut.
Sie selbst hatte so große Angst, dass sie Probleme hatte, auf der Treppe nicht zu stürzen.
Der Mann im dunkelblauen Mietwagen hatte keine Probleme mit der Karte. An sich hätte er von Oslo bis Malmö auf derselben Straße bleiben können, um dann in Richtung Dänemark rechts zu fahren.
Obwohl es in diesem Land unchristlich früh dunkel wurde und obwohl es seit
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