Gotteszahl
ein verdammter Skandal!«
Sigmund grinste. »Du bist nackt, Yngvar. Du setzt langsam Speck an, Mann.«
»Das ist mir ja wohl scheißegal!«
Yngvar trampelte ins Badezimmer. Sigmund setzte sich in den Sessel am Schreibtisch und schaltete den Fernseher ein. Er zappte sich zu TV 2 durch und hörte dabei Yngvar hinter der geschlossenen Badezimmertür rumoren. Eine halbe Minute später kam er heraus, riss saubere Kleider aus seinem Koffer und zog sich so schnell an, wie Sigmund es dem beleibten Mann niemals zugetraut hätte.
»In fünf Minuten gibt es Nachrichten«, sagte er. »Die sehen wir uns an, ehe wir fahren.«
»Bande aus den USA«, fauchte Yngvar und versuchte, seinen Schlips zu binden. »Solchen Unsinn hab ich noch nie gehört.«
»Keine Bande«, korrigierte Sigmund. »Gruppe. Hassgruppe.«
»Noch bescheuerter. Wer zum Teufel ist denn auf einen dermaßen unbeschreiblichen … Unsinn verfallen!«
Er riss eine Tüte mit schmutziger Wäsche vom Boden und stopfte sie in den Koffer, nachdem er den Schlipsversuch aufgegeben hatte.
»Inger Johanne«, sagte Sigmund Berli und lachte laut. »Das ist Inger Johannes Theorie.«
»Was? Was sagst du da?«
Yngvar stürzte zu der Zeitung, die halb zerrissen auf dem Bett lag. Abermals überflog er den Artikel. »Hier steht nichts darüber«, sagte er, ohne von der mit Fotos von Marianne Kleive und Bischöfin Lysgaard angereicherten Reportage aufzublicken. »Inger Johanne wird mit keinem Wort erwähnt.«
»Ich habe mit einer … Silje Sørensen gesprochen«, sagte Sigmund. »Vom Polizeiabschnitt Oslo. Sie hat mich um sechs angerufen. Hat vergeblich versucht, dich zu erreichen.«
»Sind denn alle total bescheuert? Ich wohne in einem Hotel, verdammt noch mal. Das da …«
Mit drei Schritten hatte Yngvar das altmodische weiße Telefon erreicht. Er packte den Apparat und hielt ihn fünf Zentimeter vor Sigmunds Gesicht. »Das hier ist ein Telefon!«
»Reg dich ab, Yngvar. Reg dich doch ab.«
»Abregen? Ich will mich nicht abregen, verdammt noch mal. Ich will wissen, was dieser Blödsinn soll und warum …«
»Dann hör mir doch zu. Hör dir an, was ich zu sagen habe, statt hier wie ein Verrückter herumzutoben. Wir werden noch vor die Tür gesetzt, wenn du dich nicht beruhigst.«
Yngvar holte Luft, nickte und ließ sich aufs Bett fallen. »Los«, murmelte er.
Sigmund klatschte in die Hände. »So, ja. So viel weiß ich auch wieder nicht. Silje Sørensen war ungefähr so sauer wie du darüber, dass Verdens Gang Wind von der Sache bekommen hat, und ganz Grønlandsleiret steht Kopf, um die undichte Stelle zu finden. Sie konnte berichten, dass wir es wirklich mit sechs Morden zu tun haben. Irgend so ein Kunstfex, der zu Weihnachten gestorben ist, scheinbar an einer Überdosis Heroin, hatte winzige Spuren von Curacit im Blut. Da haben wir Schwein gehabt. Curacit wird wahnsinnig schnell abgebaut, und der Typ ist Anfang der Woche durch den Schornstein gegangen. Da die Sache routinemäßig als verdächtiger Todesfall eingestuft wurde, hatten sie im Labor Blut von ihm eingefroren, und Curacit …«
»Hä?«
»Curacit. Du weißt, ein Gift, das die Atmung lähmt und …«
»Ich weiß sehr gut, was Curacit ist. Was ich wissen will …«
»Moment noch, Yngvar. Hör mir zu. Dieser Künstler wurde also umgebracht. Und er ist außerdem … war außerdem homo. Und dann ist irgend so ein Penner irgendwann im November im Sofienbergpark abgemurkst worden, und alle wissen doch, was nachts im Sofienbergpark vor sich geht, oder?«
Ohne Yngvar Zeit zu einer Antwort zu lassen, fügte er hinzu: »Und dann war da eine Frau, von der alle glaubten, sie sei bei einem Autounfall umgekommen, aber bei genauerem Hinsehen waren die Bremsen frisiert worden. Und du kannst dir ja vorstellen, was die im Bett am liebsten hatte!«
Yngvar starrte ihn nur resigniert an.
»Diese Silje Sørensen war wirklich total paranoid«, fügte Sigmund gelassen hinzu. »Hat mich von zu Hause aus angerufen. Vom Mobiltelefon ihres Sohnes aus. Aber egal, ob diese Pressefritzen gute Quellen haben oder die Polizei abhorchen oder wie immer sie das machen, Verdens Gang hat also nur die Namen von drei Opfern. Die Bischöfin, Marianne Kleive, der Knabe aus dem Hafenbecken. Kann mich an solche Kanackennamen nie erinnern.«
Yngvar war zu erschlagen, um gegen diese Bezeichnung zu protestieren.
»Jedenfalls konnte Sørensen erzählen, dass Inger Johanne bei ihr war, mit einigen Fragen und einer Theorie, die mit ihren
Weitere Kostenlose Bücher