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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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der Mann am …«
    »Der Ordner ist wieder da, das hast du selbst gesagt. Es war einfach ein Versehen.«
    »Aber …«
    »Hör mal, wir reden jetzt nicht mehr darüber, ja? Ich habe sicherheitshalber darum gebeten, dass mehrmals am Tag ein Streifenwagen hier vorbeifährt. Ansonsten können wir nicht viel tun. Wenn du nicht willst, dass wir Kristiane einer richtigen Vernehmung aussetzen, mit allen Belastungen, die das für die Kleine mit sich bringen würde. Vergiss es, ja? Jedenfalls für den Moment. Bitte!«
    Seine Hand schloss sich um das Weinglas.
    »Nein«, sagte sie. »Das kann ich nicht. Ich verstehe, dass du verletzt bist. Ich weiß, ich hätte damit zu dir kommen müssen, und zwar sofort. Aber egal, Yngvar, ich habe mir meine Gedanken gemacht und …«
    »Nein«, fiel er ihr hart ins Wort. »Jetzt hörst du mir zu. Wenn es wirklich so ist, dass Kristiane im Zusammenhang mit dem Mord an Marianne Kleive irgendetwas gesehen hat, warum, zum Teufel, haben sie sie dann nicht auch umgebracht?«
    Das sagte er so laut, dass sie beide zusammenfuhren. Dann horchten sie auf Hinweise darauf, dass Kristiane aufgewacht war. Aber alles, was sie hörten, war, dass die Nachbarn unten Mamma Mia auf DVD sahen. Zum zehnten Mal seit Weihnachten, wie es Inger Johanne vorkam.
    »Weil sie gläubig sind«, sagte Inger Johanne. »Weil sie an Gott glauben.«
    »Was?«
    »Oder an Allah.«
    »Weil sie gläubig sind, na und?«
    Jetzt wirkte er interessiert. Oder vielleicht verwirrt.
    »Weil sie gläubig sind«, sagte Inger Johanne. »Deshalb töten sie nicht einfach so. Sie glauben mit einer Inbrunst, die den meisten Menschen fremd wäre. Sie sind fanatisch, aber tief gläubig. Erwachsene Menschen umzubringen, die ihrer Meinung nach Sünder sind und aufgrund eines gottgegebenen Befehls den Tod verdient haben, ist etwas ganz anderes, als ein unschuldiges Kind zu töten.«
    Sie sprach sehr langsam, als seien es Gedanken, die nie zuvor gedacht worden waren, und als müsse sie ihre Worte deshalb mit größter Sorgfalt wählen.
    Yngvars Blick war nicht mehr so abweisend, als er fragte: »Aber diese Menschen, diese Gruppen, sind die wirklich … religiös? Sind das nicht nur verkorkste Gemüter, die Gott und Allah als eine Art … Vorwand nutzen?«
    »Nein«, sagte Inger Johanne und schüttelte den Kopf. »Du darfst niemals die Kraft des Glaubens unterschätzen. Und in gewisser Weise macht es meine Theorie glaubwürdiger, dass …«
    Sie zog die Füße aufs Sofa und umfasste den einen, als wäre ihr kalt. »… dass Kristiane wirklich etwas gesehen hat. Marianne Kleives Mörder hat vermutlich damals erkannt, dass sie nicht ist wie alle anderen. Wenn es wirklich stimmt, dass der Mann, der Kristiane vor der Straßenbahn gerettet hat, der Mörder ist, dann hat er jedenfalls dabei den Beweis dafür erhalten, dass sie … anders ist. Und wenn etwas meine Tochter prägt, dann gerade …«
    Ihre Augen liefen fast über, als sie Yngvar ansah.
    »Dass sie unschuldsrein ist«, sagte er. »Sie ist der Inbegriff von Unschuld. Ein richtiger Engel Gottes.«
    »Die Dame hat mir geholfen«, sagte Kristiane leise von der Tür her.
    Yngvar erstarrte.
    Inger Johanne drehte langsam den Kopf und sah sie an. »Ach«, flüsterte sie.
    »Albertine hat geschlafen«, sagte Kristiane. »Und ich wollte zu dir, Mama.«
    Yngvar wagte fast nicht zu atmen.
    »Ich musste mich vor den vielen Leuten verstecken, ich wollte doch nicht ohne dich schlafen gehen. Und dann habe ich plötzlich eine offene Tür gefunden. Da war eine Treppe. Ich bin die Treppe runtergegangen, weil du vielleicht da wärst, und da war sonst niemand. Es war so still da. Es war eigentlich der Keller und gar nicht schön. Dann stand die Dame plötzlich oben auf der Treppe. Hallo, hat die Dame gesagt.«
    Kristiane trug einen neuen Schlafanzug. Der war zu groß, und die Ärmel fielen über ihre Hände. Sie zog daran. »Jetzt muss ich aber schlafen«, sagte sie.
    »Was hast du gemacht, als die Dame Hallo gesagt hat ?«, fragte Inger Johanne lächelnd.
    »Ich muss schlafen. Dam-di-rum-ram.«
    »Komm her, mein Mädchen.«
    Endlich drehte Yngvar sich zu ihr hin und winkte mit der Hand.
    »Ich bin Papas Mädchen«, sagte sie. »Und ich bin überhaupt kein Mädchen mehr. Ich bin eine junge Frau. Das sagt Papa.«
    »Du kannst mein Mädchen sein und auch Papas Mädchen«, sagte Yngvar und lachte leise. »Das wirst du immer bleiben. Egal, wie alt du bist. Hat du nicht gehört, dass Opa Mama sein Mädchen

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