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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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nennt?«
    »Opa nennt alle Damen sein Mädchen. Das ist eine Unsitte von ihm. Das sagt Oma.«
    »Komm her«, flüsterte Inger Johanne. »Komm zu mir.«
    Kristiane ging zögernd auf sie zu. »Sie hat mich gerufen«, sagte sie und kletterte zwischen ihnen aufs Sofa. »Sie wusste nicht, wie ich heiße, sie kennt mich doch nicht. Sie hat nur gerufen, komm, und dann hat sie gelächelt.«
    »Und dann?«, sagte Inger Johanne und lächelte.
    »Yngvar«, sagte Kristiane ernst. »Du wiegst bestimmt …«
    Sie überlegte kurz. »Circa 230 Prozent mehr als ich.«
    »Ich glaube, das ist ziemlich genau mein Gewicht«, sagte er und schaute beschämt zu Inger Johanne hinüber. »Aber ich wollte das gern als mein kleines Geheimnis behalten.«
    »Ich wiege 31 Kilo, Mama. Da kannst du es ja ausrechnen.«
    »Ich möchte lieber hören, was passiert ist, Herzchen.«
    »Die Dame hat gerufen, und ich bin wieder hochgegangen. Sie hatte sehr warme Hände.  Aber ich hatte einen Pantoffel verloren.«
    »Pantoffel ?«, sagte Yngvar fragend. »Du hattest doch keine …«
    »Hat die Dame ihn geholt ?«, schaltete Inger Johanne sich eilig ein.
    »Ja.«
    »Und wo warst du in der Zeit?«
    »Dam-di-rum-ram. Wo ist Sulamitt?«
    »Sulamitt ist tot, Herzchen. Das weißt du.«
    »Die Dame war auch tot. Dum-di-rum-ram.«
    Yngvar drückte sie an sich und legte das Gesicht an ihren Kopf. »Es tut mir so leid, dass ich Sulamitt überfahren habe«, flüsterte er. »Aber das ist jetzt so lange her.«
    »Dam-di-rum-ram«, sie hatte die Knie ans Kinn gezogen, legte die Arme um die Beine und wiegte sich langsam hin und her. Stieß Inger Johanne an, wartete einen Moment und wiegte sich dann zu Yngvar hinüber. Wieder und wieder.
    »Jetzt bring ich dich ins Bett«, sagte Inger Johanne irgendwann.
    »Dam-di-rum-ram.«
    »Komm.« Inger Johanne stand auf und nahm die Hand ihrer Tochter. Kristiane folgte bereitwillig. Yngvar streckte ihr den Arm hin, aber sie sah ihn nicht. Er blieb sitzen und lauschte auf Inger Johannes geduldiges Geplauder und Kristianes seltsames Geplapper.
    Die Gewissheit, dass Inger Johanne recht hatte, war fast schlimmer, als dass Kristiane etwas Traumatisches erlebt hatte. Resigniert ließ er sich zurücksinken.
    Er hatte geglaubt, was Inger Johanne erzählt hatte, aber nicht, was das ihrer Ansicht nach bedeutete. Irgendwann einmal war gerade ihre Urteilsfähigkeit der Grund gewesen, warum er sie an sich gelockt und in eine Ermittlung hineingezogen hatte, an der sie nicht hatte teilnehmen wollen. Er hatte sie dazu gebracht, sich dem Albtraum aller Eltern zu stellen. Kinder wurden entführt und getötet, und er steckte einfach fest. Inger Johannes einzigartige Erfahrung vom FBI und ihr scharfer Blick für menschliches Verhalten hatten den Fall gelöst und einem kleinen Mädchen das Leben gerettet. Er hatte sich aus vielen Gründen in Inger Johanne verliebt, aber wenn er an die Zeit nach der dramatischen Jagd auf die verschwundenen Kinder zurückdachte, dann war es vor allem Inger Johannes Fähigkeit, Intellekt und Intuition, Rationalität und Emotion zu vereinen.
    Inger Johanne war die perfekte Mischung aus Vernunft und Gefühlen.
    Aber diesmal, so viele anstrengende Jahre später, hatte er ihr einfach nicht geglaubt.
    Beschämt schloss er die Augen.
    »Glaubst du mir jetzt?«
    Ihr Tonfall war nicht aggressiv. Nicht einmal vorwurfsvoll. Sie klang eher erleichtert. Und er fühlte sich noch kleiner.
    »Ich habe dir die ganze Zeit geglaubt«, murmelte er. »Ich dachte nur …«
    »Vergiss es jetzt«, sagte Inger Johanne und setzte sich wieder. »Was machen wir nun?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe ganz einfach keine Ahnung. Vielleicht wäre es das Beste, zu warten. Sie hat am Montag mit dir gesprochen und jetzt mit uns. Vermutlich sollten wir warten, bis sie selbst mehr sagen will.«
    »Es ist nicht sicher, dass das jemals passiert.«
    »Nein. Aber willst du sie einer offiziellen Vernehmung aussetzen?«
    Sie legte die Hand auf seinen Oberschenkel und hob mit der anderen sein Weinglas. »Noch nicht. Nicht solange es nicht unbedingt nötig ist.«
    »Dann sind wir einer Meinung.«
    Sie empfand einen Hauch ungewohnter Zärtlichkeit für ihn, eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass er bereit war, seine Stieftochter in einem Fall zu schützen, in dem sie wichtige Informationen über einen unaufgeklärten Mord besitzen konnte.
    »Danke«, sagte sie einfach.
    »Warum sind die hier?«, fragte Yngvar so leise, dass sie es fast nicht hören

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