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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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gereicht würde. Der Duft von warmen Speisen hatte ihn geweckt. Ihm war das nur recht. Obwohl er von dem tiefen Schlaf noch ein wenig benommen war, hatte er Hunger. Die Stewardess hatte eine Menükarte rücksichtsvollerweise auf den leeren Sitz neben ihm gelegt, statt ihn zu wecken. Er las sorgfältig und entschied sich für Entenkeule mit Orangensoße, Wildreis und Salat. Als Vorspeise bat er um frischen Spargel, als die blonde Frau sich über ihn beugte und die Karte wieder an sich nahm.
    » Water, please. « Er hob abwehrend die Hand, als sie ihm Weißwein anbot.
    Als er die Jalousie öffnete, quoll grelles Licht durch das Fenster. Es war jetzt halb eins norwegischer Zeit. Er erhob sich im Sessel ein wenig, um unter sich den Atlantik zu sehen, aber eine grauweiße Wolkendecke schien kein Ende zu nehmen. Nur ein anderes Flugzeug in der Gegenrichtung, weit im Süden, brach die Monotonie. Das Licht störte ihn, und er zog die Jalousie zur Hälfte wieder herunter.
    Er empfand eine gesegnete Ruhe.
    So war es immer nach einem Einsatz.
    Er hasste die Perversen mit einer Intensität, die ihn zurück ins Leben gebracht hatte. Er war beim Militär einigen von ihnen begegnet, feigen Hunden, die verbergen wollten, dass sie unaussprechliche Dinge miteinander trieben, während sie sich einbildeten, gut genug zu sein, um das Vaterland zu verteidigen. Damals, ehe er bekehrt worden war, hatte er sich damit begnügt, über solche Leute Bericht zu erstatten. Drei Fälle waren in der militärischen Bürokratie verloren gegangen, aber das hatte ihm nicht den Schlaf geraubt. Er hatte ihnen immerhin das Unbehagen einer Untersuchung beschert. Der vierte Abartige war nicht ungeschoren davongekommen. Er war unehrenhaft entlassen worden. Das war zwar geschehen, weil er sich einem jungen Rekruten genähert hatte, der gedroht hatte, die US Marines auf Schmerzensgeld zu verklagen, aber dass bereits eine Meldung wegen Pornografiebesitzes vorlag, hatte der Sache nicht geschadet.
    Der Essensgeruch wurde stärker.
    Er zog die Bibel aus seiner Schultertasche.
    Sie war weich und abgegriffen, mit zahllosen winzigen Notizen am Rand des dünnen Papiers. Hier und dort hatte er eine Stelle mit gelbem Marker gekennzeichnet. An anderen Stellen war die Schrift so undeutlich geworden, dass er sie kaum noch lesen konnte. Aber Richard Forrester kannte seine Bibel, und die wichtigen Passagen wusste er auswendig.
    Er war zwölf gewesen, als ein Päderast es bei ihm versucht hatte.
    Er schloss die Augen und ließ die Hand auf dem Buch ruhen.
    Das Leben nach der Bekehrung hatte ihn davon überzeugt, dass der Tod von Susan und Anthony einen Sinn gehabt hatte. Sie hatten zu Gott heimkehren müssen, damit der Herr ihn erreichen konnte. Er hatte geläutert werden müssen, um zum würdigen Diener im Kampf gegen das Übel werden zu können.
    Als der Mann, der ihn in der Seitenstraße in Dallas aufgelesen hatte, ihn einige Monate später Jacob vorstellte, war er bereit gewesen. Jacob hieß nur Jacob, und Richard war niemand anderem aus der Gruppe » The 25’ers « begegnet. Es war also möglich, dass er nicht der Einzige von ihnen an Bord dieses Flugzeugs war, und er ertappte sich dabei, dass er verstohlen die Frau auf der anderen Seite des Mittelgangs musterte.
    Er hatte dann noch zwei Jahre warten müssen, um Namen und Bedeutung der Organisation zu erfahren. Als er hörte, dass er mit Muslimen gemeinsame Sache machte, war er zuerst wütend geworden, aber Jacob hatte ihm zu erklären versucht, dass diese Zusammenarbeit wichtig und richtig war. Sie hatten ein gemeinsames Ziel, und die Muslime verfügten über eine Erfahrung, die ihnen bisher fehlte. Für diese Argumentation war Richard nicht zugänglich gewesen. Es hatte auch nicht geholfen, zu erfahren, dass die extremen muslimischen Gruppierungen bedeutende Unterstützungssummen zahlten. Richard Forrester war der Meinung, dass sie sich weitgehend selbst finanzieren konnten, und er mochte nicht einsehen, warum sie von Terroristen Geld nehmen sollten. Er hatte zu diesem Zeitpunkt im Namen Gottes zwei Menschen umgebracht, aber niemals hätte er unschuldiges Leben beendet. Er war ebenso schockiert wie alle anderen, als die Flugzeuge ins World Trade Center gerast waren, und er hasste Muslime fast ebenso inbrünstig wie Päderasten. Als er jedoch eines Nachts von Gottes deutlicher Nähe geweckt wurde und der Herr selbst ihm einen Befehl erteilte, gab er nach.
    Nach jedem Einsatz wurde eine beträchtliche Summe auf sein

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