Gotteszahl
Nachdruck.
»Das nicht«, sagte der Chefredakteur, » aber es muss überprüft werden. Was glaubst du wohl, wie einer wie ich mit weniger als zweiundzwanzig Jahren und ohne Ausbildung Journalist beim NRK werden konnte?«
Er zeigte vielsagend auf seine eigene Nase. »Es liegt mir im Blut, weißt du.«
Das Telefon klingelte. Beate Krohn starrte es überrascht an, als hätte der Chefredakteur ihr soeben ein Zauberkunststück gezeigt.
»Sølve hier!«, bellte er und ließ die Kippe in eine Mineralwasserflasche fallen. »Ach was. Sieh an.«
Einige Sekunden lang schwieg er. Sein Grinsen verschwand. Er kniff die Augen zusammen, nahm einen Kugelschreiber und machte unleserliche Notizen auf den Rand einer Zeitung.
»Danke«, sagte er endlich. »Vielen Dank, Jonas. Owe you big time, okay? «
Er starrte sein Telefon an. Als er aufschaute, hatte er sich wirklich total verändert. »Bischöfin Lysgaard wurde ermordet«, sagte er langsam. »Sie wurde verdammt noch mal ausgerechnet am Heiligen Abend ermordet.«
»Wieso …«, begann Beate Krohn und ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Wie kannst du wissen … Mit wem hast du gesprochen?«
Der Chefredakteur lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und starrte ihr in die Augen. »Ich hoffe, du hast heute Abend etwas gelernt«, sagte er leise. »Und das Allerwichtigste, was du begriffen haben solltest, ist Folgendes: Als Journalist bist du nichts ohne gute Quellen. Du musst lange und hart arbeiten, um sie zu bekommen, und du darfst sie niemals missachten. Niemals.«
Beate Krohn kämpfte gegen das Erröten, vergeblich.
»Und«, sagte der Chefredakteur und lächelte entwaffnend, während er sich die nächste Zigarette ansteckte. »Jetzt wird richtig telefoniert. Jetzt werden die Leute geweckt!«
Kleine Schlüssel, große Räume
»Himmel«, sagte Yngvar Stubø und fuhr in der Tür zurück. »Habe ich Sie geweckt?«
Lukas Lysgaard blinzelte und schüttelte den Kopf. »Nicht doch«, murmelte er. »Oder doch. Ich hab heute Nacht fast nicht geschlafen, und als ich dann hier so saß …«
Er hob den Blick und lächelte müde. Yngvar hätte ihn fast nicht erkannt. Die breiten Schultern hingen herab. Seine Haare wurden fettig, und die Haut lag in schlaffen dunklen Falten um seine Augen. Im linken Auge war eine kleine Ader geplatzt, sein Blick war blutrot.
»Das kann ich verstehen«, sagte Yngvar und zog den Stuhl von der anderen Seite des Tisches heran.
Lukas Lysgaard zuckte mit den Schultern.
Yngvar wusste nicht so recht, was das bedeuten sollte. »Die Wölfe sind los«, sagte er und setzte sich. »Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis die Presse es erfahren würde.«
Der andere nickte.
»Waren sie schon bei Ihnen?«, fragte Yngvar und warf einen Blick auf die Uhr, die einige Minuten vor halb neun zeigte.
Der Mann nickte müde.
»Ich bin Ihnen jedenfalls sehr dankbar dafür, dass Sie gekommen sind«, sagte Yngvar. »Ich sehe, dass mein Kollege die Formalitäten bereits erledigt hat. Ist Ihnen etwas zu trinken angeboten worden? Kaffee? Wasser?«
»Nein, danke. Warum sind Sie eigentlich hier?«
»Ich?«
»Ja.«
»Wie meinen Sie das?«
Lukas beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Sie sind bei der Kripo.«
Yngvar nickte.
»Die Kripo ist nicht mehr das, was sie einmal war.«
»Nein …«
Yngvar begriff nicht, worauf der Mann hinauswollte.
»Soviel ich weiß, ist die Kripo vor allem eine nationale Einheit zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Glaubt ihr, dass die Mafia meine Mutter umgebracht hat?«
»Nein, nein, nein!«
Für einen Moment glaubte Yngvar, der Mann habe das ernst gemeint. Ein freudloses, fast unmerkliches Lächeln brachte ihn auf andere Gedanken. »Alle guten Kräfte sind für diesen Fall mobilisiert worden«, sagte er und goss sich aus einer Thermoskanne Kaffee ein. »Und von manchen werde ich auch dazugezählt. Wie geht es Ihrem Vater?«
Es kam keine Antwort.
»Auf jeden Fall wollte ich Sie zuerst ein wenig informieren«, sagte Yngvar und schob einen kleinen Ordner über den Tisch.
Es sah nicht so aus, als ob Lukas Lysgaard den öffnen wollte.
»Ihre Mutter wurde erstochen. Ihr Herz wurde getroffen. Das bedeutet, dass sie sehr schnell gestorben ist.«
Yngvar schaute forschend in das Gesicht des anderen und fragte sich, ob er weitersprechen sollte. »Sie weist keine anderen Verletzungen auf, bis auf einige Schrammen, die vermutlich vom Sturz stammen. Sie scheint also keinerlei Widerstand geleistet zu
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