Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
deinem Schreibtisch sortieren. Da herrscht doch das reinste Chaos.«
    Der Anwalt riss den Ordner an sich und öffnete ihn, während er auf die Bürotür zuging. Der Geruch nach ungewaschenem Körper, Rasierwasser und Alkohol blieb in der Luft um den Schreibtisch der Sekretärin hängen. Sie öffnete eine Schublade und zog eine Spraydose heraus. Bald mischte sich intensiver Maiglöckchenduft mit dem Suffgestank. Sie schnitt eine Grimasse, dann legte sie die Spraydose wieder zurück.
    »Hat er nicht mal angerufen?«, rief Anwalt Faber, ehe ein Hustenanfall die Antwort sinnlos machte.
    Sie stand auf, nahm eine dampfende Tasse Kaffee von einem niedrigen Aktenschrank und ging zu dem Anwalt hinüber. »Nein«, sagte sie, als der Mann endlich genug Schleim in einen überfüllten Papierkorb gespuckt hatte. »Bestimmt ist ihm etwas dazwischengekommen. Hier, trink das.«
    Als Kristen Faber die Tasse nahm, konnte er nur mit Mühe ein Überschwappen verhindern. »Diese Flugangst ist einfach grauenhaft«, murmelte er. »Musste auf dem ganzen Weg von fucking Barbados Schnaps trinken.«
    Die Sekretärin, eine freundliche, zierliche Frau von Anfang sechzig, konnte sich gut vorstellen, dass es ganz schön viel Fucking auf Barbados gegeben hatte. Sie wusste auch, dass er nicht nur während des Fluges getrunken hatte.
    Sie arbeitete seit fast neun Jahren für Anwalt Faber. Es gab nur sie beide und einen Referendar mit halber Stelle. Auf dem Papier teilten sie die Räumlichkeiten mit drei weiteren Anwälten, aber die Büros waren so geschnitten, dass Tage vergehen konnten, ohne dass sie die anderen sah. Anwalt Faber hatte seine eigene Rezeption und seine eigene Toilette. Da sein Büro groß war, musste sie nur selten in dem gemeinsamen Besprechungszimmer Kaffee und Mineralwasser aufbauen.
    Zweimal im Jahr, im Juli und zu Weihnachten, stieg Kristen Faber aus allem aus. Zusammen mit einer Gruppe von alten Kommilitonen, und keiner Kommilitonin, alle geschieden und gut betucht, suchte er luxuriöse Reiseziele auf, um sich aufzuführen, als wäre er fünfundzwanzig. Abgesehen von der Sache mit dem Geld. Jedesmal kehrte er restlos erschöpft zurück. Er brauchte eine Woche, um wieder in Form zu kommen, aber bis zur nächsten Herrenpartie rührte er dann keinen Tropfen Alkohol an. Die Sekretärin nahm an, dass er an einer seltenen Form von Alkoholismus litt. Es war jedoch eine, mit der man leben konnte, jedenfalls sie konnte das.
    »War das Flugzeug pünktlich?«, rief sie, um überhaupt etwas zu sagen.
    »Nein. Wir sind vor zwei Stunden auf Gardermoen gelandet, und wenn ich nicht diesen Termin gehabt hätte, wäre ich noch nach Hause gefahren, um zu duschen und mich umzuziehen. O verdammt.« Er nippte an dem bitteren Kaffee.
    »Noch mehr, bitte. Und ich glaube, du musst den Termin um zwei Uhr absagen. Ich muss einfach …«
    Er hob den Arm und hielt die Nase an seine Achselhöhle. »Piuh! Ich muss einfach nach Hause.«
    »Wie du willst«, sagte die Sekretärin. »Um drei kommt der nächste Mandant. Bist du dann wieder da?«
    »Ja.«
    Er warf einen Blick auf die Armbanduhr und zögerte. »Oder warte. Verleg den Termin um zwei auf halb drei, und lass lieber den um drei etwas warten.«
    Sie holte die Kaffeekanne und stellte ein Tellerchen mit Schokolade dazu.
    Er war bereits in seine Papiere vertieft und achtete nicht auf sie. »Mistkerl«, murmelte er und ließ den Blick über die Unterlagen in dem dünnen Ordner wandern. »Und dabei hat er so rumgenervt und wollte unbedingt einen Termin, sowie ich wieder zu Hause wäre.«
    Die Kopfschmerzen würden ihn noch umbringen. Er bohrte den Daumen in das eine und den Zeigefinger in das andere Auge. Der Druck war nicht die geringste Hilfe. Der Kaffee auch nicht. Koffein in Kombination mit Alkohol machte ihm Herzflimmern.
    Der Korb mit den laufenden Fällen war überfüllt. Als er den letzten Ordner noch darauflegen wollte, rutschte der hinunter und fiel zu Boden. Gereizt sprang er auf und hob ihn hoch. Er überlegte für einen Moment, dann öffnete er eine Schublade und warf das Dokument hinein. Dann knallte er die Schublade wieder zu und verließ den Raum.
    »Soll ich diesen …« Die Sekretärin schaute über ihre halbmondförmigen Brillengläser in den Terminkalender.
    »Niclas Winter«, sagte sie dann. »Soll ich den anrufen? Um einen neuen Termin zu machen, meine ich? Er hat, wie du schon sagst, ziemlich herumgequengelt, und …«
    »Nein. Warte, bis er sich meldet. Ich habe in dieser Woche auch

Weitere Kostenlose Bücher