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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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er los. Aber ehe er die fünfzig Meter hinter sich gebracht hatte, war das Auto verschwunden. Alles war wieder still. Nur sein Atem war zu hören, als er in die Hocke ging, um sich die Spuren genauer anzusehen. Schneeflocken tanzten in der Luft und legten sich über ein Muster, das er zu erkennen glaubte. Rasch zog er sein Telefon hervor, tastete sich zur Kamerafunktion durch und machte ein Foto. Es war so dunkel, dass automatisch der Blitz aufleuchtete.
    »Arschlöcher«, murmelte er und lief mit dem Telefon in der Hand zurück.
    Die stille Nebenstraße, die sich zur Stadtgrenze hochschlängelte, war keine Durchfahrtsstraße. Die Grundstücke waren groß, die teuren Häuser lagen versteckt und ungestört. In der letzten Zeit aber hatte es hier eine Reihe von Einbrüchen gegeben. Drei der Nachbarn waren zu Weihnachten, während sie verreist waren, ausgeraubt worden, trotz Alarmanlagen und Wachgesellschaften. Die Polizei ging davon aus, dass Profis dahintersteckten. Vier Wochen zuvor war die Familie ganz unten an der Straße überfallen worden. Drei Männer waren mitten in der Nacht eingebrochen und hatten den Familienvater als Geisel genommen. Der neunzehnjährige Sohn hatte mit nach Majorstua fahren müssen, um mit den vier Scheckkarten und den drei Kreditkarten, die die Männer durch einen Schuss auf ein kostbares Gemälde an sich gebracht hatten, einen Geldautomaten zu leeren.
    Noch immer waren die Spuren am Tor ziemlich deutlich. Rolf Slettan machte auch von ihnen ein Foto. Er wollte sie am Computer vergrößern und miteinander vergleichen. Als er das Telefon in die Tasche steckte, fiel sein Blick auf einen Zigarettenstummel. Der war offenbar vom Schnee bedeckt gewesen, war nun aber in einer von Rolfs Fußspuren zu sehen. Er bückte sich und kratzte vorsichtig in seinem Stiefelabdruck herum. Eine weitere Kippe wurde sichtbar. Und eine dritte. Als er sie im bleichen Licht einer Straßenlaterne musterte, sagte sie ihm nichts. Nicht einmal die Marke war zu erkennen.
    Drei Zigaretten. Rolf Slettan rauchte schon seit vielen Jahren nicht mehr, aber er wusste, dass eine Zigarettenpause nicht länger als sieben Minuten dauerte. Sieben mal drei macht einundzwanzig. Hatte der Fahrer Kette geraucht, so hatte er fast eine halbe Stunde hier gestanden.
    Die Polizei nahm an, dass Osteuropäer hinter den Einbrüchen steckten. In den Zeitungen hatten sie gesagt, die Anwohner müssten die Augen offen halten, die Bande oder die Banden informierten sich offenbar genau über ihre Opfer, ehe sie zuschlugen. Die Zigarettenstummel waren möglicherweise als Beweise tauglich.
    Vorsichtig steckte er sie in eine der schwarzen Tüten, die er immer bei sich trug, um den Kot seiner Hunde einzusammeln. Dann steckte er die Tüte in die Tasche und ging zum Haus weiter.
    Er wollte sofort die Polizei anrufen.
    Das Telefon war stumm, ohne dass sie wusste, warum. Vielleicht hatte eins der Kinder daran herumgespielt. Jedenfalls hatte sie Yngvars Mitteilung nicht erhalten. Als sie Schritte auf der Treppe hörte, erstarrte sie.
    Dann erklang die vertraute Stimme: »Ich bin’s. Ich bin zu Hause.«
    »Seh ich doch«, sagte sie mit einem Lächeln und streichelte seine Wange, als er zu ihr ins Wohnzimmer kam und ihr einen leichten Kuss gab. »Musstest du doch nicht noch mal nach Bergen?«
    »Doch. War auch da. Aber da ich eine Menge Dinge auch von Oslo aus erledigen kann, bin ich ins Nachmittagsflugzeug gestiegen. Ich glaube, ich bleib die ganze Woche hier.«
    »Wie schön. Hast du Hunger?«
    »Hab schon gegessen. Hast du meine Nachricht nicht bekommen?«
    »Nein. Irgendwas stimmt nicht mit dem Telefon.«
    Yngvar legte den Schlips ab, nachdem er sich so lange am Knoten abgemüht hatte, dass Inger Johanne ihm Hilfe anbot.
    »Wer immer dieses idiotische Kleidungsstück erfunden hat, hätte an die Wand gestellt werden müssen«, murmelte er. »Was in aller Welt ist das hier?«
    Er runzelte die Stirn angesichts der Stapel von Papieren und Büchern, Zeitschriften und losen Blättern, die auf dem Sofa und auf dem Couchtisch lagen. Inger Johanne saß in Lotosstellung, die Lesebrille auf der Nase und ein Halbliterglas voll dampfendem Tee in der Hand.
    »Ich nähere mich dem Hass«, sagte sie lächelnd. »Ich lese über Hass.«
    »Herrgott«, stöhnte er. »Als ob ich bei der Arbeit nicht genug davon abbekäme. Was trinkst du?«
    »Tee. Zwei Teile Lady Grey, ein Teil China Pu-Erh. In der Thermoskanne in der Küche ist mehr, wenn du was abhaben willst.«
    Er

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