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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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allgemein unter dem Namen Major André‘s Baum bekannt. Die gemeinen Leute betrachteten ihn mit einer Mischung von Ehrfurcht und Aberglauben, theils aus Antheil an dem Schicksale des unglücklichen Mannes, und theils wegen Erzählungen von sonderbaren Erscheinungen, die man dort bemerkt, und der Klagetöne, die man dabei gehört haben wollte.
    Indem Ichabod sich diesem furchtbaren Baume näherte, fing er an zu pfeifen; er glaubte, daß sein Pfeifen beantwortet würde – allein es war nur ein Windstoß, der scharf durch die trockenen Zweige strich. Als er ein wenig näher kam, glaubte er, etwas Weißes zu erkennen, das in der Mitte des Baumes hing – er hielt an, und hörte auf zu pfeifen; als er aber genauer hinsah, bemerkte er, daß dieß ein Fleck war, wo der Baum vom Blitze getroffen worden und das weiße Holz sichtbar war. Plötzlich hörte er ein Stöhnen – seine Zähne klapperten und die Kniee schlotterten ihm gegen den Sattel: es war nur das Reiben eines der großen Aeste an einen andern, wie sie von dem Sturme bewegt worden. Er kam glücklich bei dem Baume vorüber; doch neue Gefahren lagen vor ihm.
    Ungefähr zwei hundert Ellen von dem Baume durchschnitt ein kleiner Bach den Weg, und floß in eine morastische, dicht beholzte Schlucht, welche unter dem Namen Wiley’s Lache bekannt war. Einige rohe Holzblöcke, nebeneinander gelegt, dienten zur Brücke über dieses Wasser. An der Seite der Straße, wo sich der Bach in dem Walde verlor, verbreitete eine Gruppe von Eichen-und Kastanienbäumen, mit wilden Weinstöcken dicht durchflochten, eine höhlenartige Düsterheit darüber. Ueber diese Brücke hinwegzukommen, war die schwerste Prüfung. Gerade an dieser nämlichen Stelle war der unglückliche André gefangen genommen worden, und unter diesen Kastanienbäumen und Weinreben lagen die handfesten Milizen verborgen, welche ihn überfielen. Man hat dieß Wasser von der Zeit an immer als unheimlich angesehen, und schauernd sind die Gefühle des Schulknaben, welcher nach dem Eintritt der Dämmerung allein darüber gehen muß.
    Als er sich dem Wasser näherte, fing ihm das Herz mächtig an zu klopfen; er nahm indessen alle seine Entschlossenheit zusammen, gab seinem Pferde ein halbes Dutzend Rippenstöße, und suchte rasch über die Brücke zu kommen; statt aber vorwärts zu gehen, machte das eigensinnige alte Thier eine Seitenbewegung, und rannte gerade gegen die Umzäunung. Ichabod, dessen Furcht mit dem Verzuge wuchs, zog die Zügel nach der andern Seite an und stieß wacker mit dem entgegengesetzten Fuße; es war alles vergebens – sein Roß ging zwar vorwärts, aber nur, um auf die andere Seite des Weges, in ein Dickicht von Brombeeren und Erlengestrüppe hineinzulaufen. Der Schulmeister bearbeitete nun mit Peitsche und Sporn des alten Gunpowder’s hervorstehende Rippen, welcher schnaubend und schnaufend vorwärts schoß, dicht bei der Brücke aber mit einer solchen Schnelle Halt machte, daß sein Reiter beinahe über seinen Kopf hinweggestürzt wäre. Gerade in diesem Augenblicke vernahmen Ichabod’s feine Ohren ein Getrampel in dem Morast an der Brücke. In dem dunkeln Schatten des Gebüsches, am Ufer des Baches, sah er etwas Gewaltiges, Unförmliches, Schwarzes und Thurmhohes. Es rührte sich nicht, sondern schien in dem Dunkel zusammengezogen wie ein riesenhaftes Ungeheuer, und im Begriff, sich auf den Reisenden zu stürzen.
    Das Haar des erschrockenen Pädagogen sträubte sich vor Furcht auf seinem Kopfe. Was sollte er thun? Umzukehren und zu fliehen war jetzt zu spät; und überdieß, welche Möglichkeit gab es, einem Geiste oder Kobold, wenn dieß ein solcher war, zu entgehen, da diesem die Flügel des Windes zu Gebote stunden? Indem er also eine Art Muth zusammenraffte, fragte er stammelnd – »Wer seid Ihr?« Er erhielt keine Antwort. Er wiederholte seine Frage mit noch bewegterer Stimme. Noch immer gab es keine Antwort. Abermals zerprügelte er des unbeugsamen Gunpowder’s Seiten, und stimmte, indem er die Augen schloß, mit unwillkührlicher Inbrunst eine Psalmmelodie an. In diesem Augenblick setzte sich der dunkele Gegenstand des Schreckens in Bewegung, und stand mit einem Ruck und einem Sprunge plötzlich mitten auf dem Wege. Obgleich die Nacht dunkel und schauerlich war, so ward doch nun die Gestalt des Unbekannten einigermaßen kenntlich. Er schien ein Reiter von gewaltiger Größe, der ein schwarzes Pferd von mächtigen Formen ritt. Er machte keine Bewegung, die auf Belästigung, noch

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