Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Nun, so ein Junge würde das ja noch fertig bringen. Er habe nur zwei Wochen Krieg mitgemacht, stamme aus reicher Familie mit Verwandten in der Schweiz, er habe deshalb die Unterernährung während des Krieges nicht gespürt.
»Während wir!« abgehackt und verbittert sprach er weiter und stieß Todd in die Seite. »Ich für meinen Teil bin erledigt. Lebe so als halbe Leiche. Typhus in Mazedonien, Lungenschuß bei Verdun, wundert mich nur, daß sie mich in Mainz genommen haben.«
Nun also, dieser Ackermann sei aus dem Krieg zurückgekommen und habe sich während der Umsturzzeit so richtig herumgetrieben. Habe dann ein Mädel aus einem öffentlichen Hause kennengelernt und habe sich in dieses verliebt. Er sei mit ihr spazierengegangen, habe ihr Geld gegeben, das er irgendwie immer aufgetrieben habe. Zuerst von daheim, und als da nichts mehr zu holen gewesen sei, habe er geschoben, Fieberthermometer und Salvarsan und sonst verschiedene Dinge. Der Vater habe dann von Freunden den Verkehr seines Sohnes erfahren. Ganz gehässig und zischend wurde Schilaskys Stimme:
»Die Väter! Meiner war genau so. Sprechen immer von ihrem guten Namen, der nicht beschmutzt werden darf. Als ob so ein paar Buchstaben etwas unglaublich Kostbares wären. Ich habe meinem Vater einmal gesagt: ›Dein Name, schau, er kommt mir vor wie ein altmodischer Zylinderhut, den man nur bei Begräbnissen aufsetzt. Man hütet ihn, damit er nur ja keinen Flecken kriegt, aber in der Schachtel wird er doch grün und läßt schließlich Haare und wird unansehnlich.‹ Was ist das, ein Name? Ich habe die Mode nicht mitgemacht, mich nicht umgetauft, sondern meinen Namen behalten, wie ich in die Legion bin.«
Nun, auch Ackermanns Vater hatte den Sohn mit Vorwürfen überschüttet, und da war der Junge schließlich in die Legion gegangen und hatte einen rührenden Abschied von dem Mädchen genommen. Er hatte es heiraten wollen. Warum nicht? Sie wäre vielleicht eine gute Frau geworden. Aber die Sache sei so: dieser Ackermann tue tadellos Dienst, drei Wochen, vier Wochen. Plötzlich aber, an einem Abend, beginne er zu stöhnen, die Nacht darauf schlafe er nicht, man höre ihn schluchzen wie ein kleines Kind. Und oft habe er, Schilasky, den Freund trösten müssen. Auch der folgende Tag bringe nicht die erwartete Erlösung. Erst gegen Abend packe dann Ackermann irgendeinen Kameraden, den er gerade erwischen könne, und fange an, ihm das Mädchen zu beschreiben. Wie es ausgesehen habe und nach was es gerochen habe, nach Maiglöckchen, und gelbe Unterwäsche habe es getragen, kurz, er versuche das Mädchen aus Worten zusammenzusetzen, bis es wieder leibhaftig vor ihm stehe. Dann sei der Schmerz vergangen. Ackermann tue wieder Dienst wie vorher. Ja. Das sei es wohl, was Koribout gemeint habe.
Koribout schrieb so eifrig, daß er nicht zu antworten vermochte, sondern nur nickte…
Korporal Ackermann aber wußte nicht, daß soeben von ihm gesprochen wurde. Mit vier anderen zusammen, dem alten Guy, dem Türken Fuad und dem Schweizer Bärtschi spielte er Einundzwanzig. Später kam noch Pullmann hinzu, die bullenhafte Ordonnanz des Leutnants Mauriot. Über Ackermann war diese Spielwut ganz plötzlich gekommen. Sonst hielt er sich gerne von seinen Untergebenen fern, er hielt ›distance‹, wie er es mit übertrieben französischer Aussprache nannte. Aber gestern hatte er eine seiner Krisen gehabt und fühlte sich anschlußbedürftig. Sie spielten gelangweilt, die alten Karten klebten von Schweiß, das Geben bereitete Mühe. Guy hielt die Bank. Er und Fuad besaßen das meiste Geld. Fuad war klein und gelb und erinnerte an einen schnüffelnden Hund. Er hatte eine bewährte Methode, Geld zu verdienen. Er trank keinen Wein, sammelte ihn vielmehr. Dann gab es Kameraden, die ihre Löhnung sehr schnell ausgegeben hatten. Denen kaufte er den Wein ab, er gab vier Franken, wenn ihm der tägliche halbe Liter während vierzehn Tagen abgeliefert wurde. Gewöhnlich hatte er sechs Tributpflichtige. Das gab täglich mehr als drei Liter. Er verkaufte die Zwei-Liter-Feldflasche den Reicheren zu zwei Franken. Wobei für ihn ein guter Verdienst abfiel.
Sonderbar, aber er gewann auch gewöhnlich beim Spielen. Er war vorsichtig und kaufte nur ganz selten, wenn er siebzehn hatte. Aber Pullmann verlor, ebenso der alte Guy. Den kümmerte es nicht viel. Ihm war es nur um Zeitvertreib zu tun. Aber Pullmann wurde immer aufgeregter. Er hatte Schulden und hatte gehofft, einen guten Fang zu machen
Weitere Kostenlose Bücher