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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Vorgesetzter durfte davon erfahren. Das forderte er von ihrer Kameradschaft. Er wiederholte die Worte in französischer Sprache. Dann ließ er die Lichter löschen und legte sich auf seine Matratze. Pullmann ließ sich nicht vertreiben. Die ganze Nacht blieb er neben dem Verwundeten.
    Lös war ohne Schwierigkeit in den Posten gelangt. Die Wache am Tor hatte gerade den Rücken gekehrt. Vor der Tür seiner Kammer hockte der Bäcker Frank, ein Wiener, der eine ewige Leidensmiene wie eine Maske trug. Und seine Klagen sickerten zähe zum alten Kainz, der neben ihm saß.
    »Auch kann ich nicht schlafen. Immer das Reißen im Rücken. Und die Zähn' tun mir so weh. Dann is' mir wieder kalt, auch wenn ich vor dem heißen Ofen steh'. Weißt, ich glaub', ich mach' es nicht mehr lang. Entweder der Major muß mich auf Reform schicken, oder ich geh' drauf. Ein schweres Leben is' es schon. Servus Korporal, wo kommst denn du her?«
    Lös erkundigte sich nur, ob niemand nach ihm gefragt habe. Nein, der Leutnant Mauriot war nicht in der Verpflegung gewesen. Die Offiziere saßen noch alle in der Messe zusammen und feierten irgend etwas. Der Koch hatte zwei Büchsen grüne Erbsen geholt. Und Hühnerwald hatte drei Flaschen Wein liefern müssen. Auf Rechnung von Mauriot. Ja, ja. Das seien alle Neuigkeiten. Es war nicht ganz leicht, diese Meldungen zu verstehen, denn der alte Kainz hatte einen wackligen Zahn, dessen Festigkeit er während des Gespräches ständig mit zwei Fingern kontrollieren mußte.
    Und Lös gab seine Absicht kund, die Nacht nicht im Posten zu verbringen. Kainz behauptete, er gönne dem Korporal diese Abwechslung. Was soll auch der Mensch anfangen ohne ein wenig Liebe? Was ihn betreffe, so habe er genug von den Frauen, seine Alte sei ihm untreu geworden – aber das wisse ja der Korporal.
    Lös kannte eine Stelle, hinten beim Park der Maultiere, wo die Mauer leicht zu übersteigen war. Und auch der Stacheldraht war dort schadhaft. Es kam nur darauf an, zu wissen, ob die Stallwache schlief oder ob sie bestechlich war.
    Schlafende Tiere sind fremdartig, viel fremdartiger als schlafende Menschen.
    Das Maultier steht still mit gesenktem Kopf; es scheint aus Holz zu sein, sein Kopf bewegt sich nicht, seine Ohren sind reglos. Aber es träumt ganz sicher. Denn bisweilen laufen über seine gespannte Haut leise zitternde Wellen und ganz sanft schwingt der Schweif mit. Plötzlich erwacht es, spreizt die Hinterbeine, läßt fließen, was es beschwert, seufzt tief auf und steht wieder reglos, mit steinernen Nüstern, die glänzen wie schwarzer, polierter Marmor.
    Die Stallwache schlief. Der Weg über die Mauer war frei.
    Aber Lös blieb einige Minuten auf der Mauer sitzen, um die Reihe der schlafenden Tiere zu betrachten. Eine Kette klirrte, ein aufstampfender Huf ließ den Boden dröhnen, ein Prusten kollerte wie ein kurzer gedämpfter Trommelwirbel. Lös sprang ab.
    Zeno hatte sich Mühe gegeben. Sie hatte alles mögliche auf die Terrasse geschleppt und übereinandergeschichtet, um ein weiches Lager zusammenzubringen. Beim Untersuchen stellte Lös die folgenden Lagen fest – Zuerst mehrere alte Säcke, die, obwohl halb verfault, doch noch deutlich den Stempel der Militärverwaltung trugen. Dann kam eine Lage frisches Alfagras, darauf Lumpen, aber saubere Lumpen, am Oued gewaschen und an der Sonne getrocknet. Das Ganze wurde von vier Schaffellen bedeckt, die ihre weiße Wolle in der Nacht leuchten ließen. Die breite Lagerstatt war in einer Ecke der Terrasse aufgeschlagen, und die hohen abschließenden Mauern gewährten Schutz gegen den Morgenwind, den man erwarten durfte.
    Still breitete sich die Terrasse aus; kein Geländer war da, das sie abschloß von der Ebene, in welche sie unmerklich überging. Nur die Berge waren eine weiche Grenze, die den Blick aufhielt und ihn überleitete zum Funkeln der Sterne.
    Zeno lag auf dem Rücken, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Ihre Brust hob und senkte sich, und ihre Haut wirkte zart wie das Fell eines Tieres. Und auch Lös träumte in den leeren Himmel hinein, füllte ihn mit den Göttern, die er langsam auferstehen ließ aus ihrem tausendjährigen Schlaf.
    Vergessen ist das dumpfe Zimmer im Posten, die Zahlen auf den Registern, das Kriegsgericht und der kleine Leutnant Mauriot. Auch die Kameraden sind vergessen, die stets umgeben sind von dem Geruch schmieriger Vergangenheiten, der ihnen anhaftet, was sie auch tun, um ihn zu vertreiben. Und wie er denkt: Vergessen, so sind sie alle

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