Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
daß er gut pflegen könne. Und diese Tatsache, ein guter Pfleger zu sein, erfüllte ihn mit großem Stolz.
Ihm war es nun ganz unverständlich, daß er hatte spielen können. Denn dies Spielen, ganz als einen unschuldigen Zeitvertreib konnte man es doch nicht ansehen. Es war ein Kampf gegen die anderen, wenn er spielte, tat er es doch mit der festen Absicht zu gewinnen, und sein Gewinn schädigte die Mitspieler. Es war falsch, die anderen zu schädigen, empfand er plötzlich, sie alle waren unglücklich; das bißchen Geld, das sie besaßen, bedeutete Glück für sie, und er, er hatte es ihnen aus der Tasche nehmen wollen. So überschwengliche Güte fühlte er plötzlich in sich, daß er nicht wußte, was er mit diesem Überschwang machen sollte. Er wollte noch einmal nach dem kleinen Schneider sehen, oder Schilasky besuchen, der stets so schwer an seinem Gewissen zu schleppen hatte, aber da hörte er aus der Baracke die vier laut streiten, und er lief, um Frieden zu stiften.
Der dicke Pullmann sah nun ganz einem gereizten Bullen gleich. Mit blutunterlaufenen Augen kniete er am Boden, die Rechte noch aufgestützt, die Linke im Hosensack eingegraben. Er spuckte Fuad Schimpfworte ins Gesicht, richtete sich auf, um den Gelenkigeren zu packen, der ihm immer wieder mit einem höhnischen Sprung entwischte. Der alte Guy hatte sein Geld in Sicherheit gebracht, nun hockte er da, auf seinen verschränkten Beinen, klatschte in die Hände und eiferte die anderen an. Bärtschi stand in einer Ecke, weit von den Streitenden entfernt, die Augäpfel waren aufgequollen, stumpf und blicklos. Schlaff hing die Unterlippe herab. An der Tür drängten sich Zuschauer.
Nun richtete sich Pullmann auf. Ein Messer wanderte von der einen Hand in die andere und sprang auf, mit einem trockenen Schnappen. Aber auch in Fuads Hand sah Ackermann ein Messer. Der Türke trug noch immer den unbeteiligten Ausdruck. Kein Blut färbte die pergamentgelbe Haut. In kleinen federnden Sätzen umkreiste er den Großen, seine harten Augen folgten jeder Bewegung des anderen, er suchte die unbeschützte Stelle. Von weitem schon rief Ackermann: »Ruhe«, er war zornig, die Baracke war sein Eigentum, hier hatte er zu kommandieren, eine Messerstecherei war eine Beleidigung seiner Autorität. Aber die Baracke war lang, er hatte den ganzen Gang zu durchlaufen, und der Gang dehnte sich, es war wie in einem Traum, er kam nicht von der Stelle, obwohl er lief. Endlich hatte er die beiden erreicht. Er sprang zwischen sie, die Arme nach vorne gereckt, seine Ellbogen spürten die Brustknochen der Gegner. Aber Pullmann schien blind. Einen kleinen Schritt nur tat er zurück, dann ließ er das Messer mit voller Kraft nach unten stoßen. Es traf Ackermanns Beuge. In einem Augenblick war der Ackermann dunkelrot und das Blut tropfte auf den Boden. Pullmann stieß ein Heulen aus. Dann verstanden die Zuschauer die leisen Worte, die folgten, »Nicht dich, Korporal, nicht dich.«
Die Aufregung war groß. Die Zuschauer drängten herbei, sie konnten nicht stillbleiben, tanzten von dem einem Fuß auf den andern, schnitten Grimassen, glücklich, oh wie sehr, daß sie dies interessante Schauspiel nicht verpaßt hatten. Ratschläge schwirrten durch die Luft; einer rief nach Spinnweben, der andere erbot sich, sein Wasser über die Wunde zu lassen. Drei, dann vier Kerzen beleuchteten das Schauspiel.
Ackermann zog den Rock aus, der Schnitt war nicht tief, eine einzige Vene war getroffen, die ihr Blut in einem kleinen Springbrunnen in die Luft spritzte. Und Ackermann fühlte, wie das Glücksgefühl, das ihn vorher nur bescheiden erfüllt hatte, nach und nach wuchs, bis es schier unerträglich wurde. Eine Leichtigkeit durchdrang seinen Körper, wie er sie nur in den Flugträumen seiner Kindheit erlebt hatte. Und auch diese Kindheitsträume waren deutlich wieder da, verwandelten die ganze Begebenheit und tauchten sie in ein sonderbar glühendes Märchenlicht, dessen Schönheit so überwältigend wurde, daß er lächelnd die Augen schloß.
Als er sie öffnete, hatte Pullmann schon sein Hemd zerrissen. Der Ärmel, fest gerollt, diente ihm zum Abbinden. Das Blut stockte. Ackermann stand auf. Seine Haltung war voll Feierlichkeit, und die anderen verstummten. Sie fanden ihn schön, sein Gesicht war bleich und scharf, sein blondes Haar lag am Kopfe an, wie eine Kappe aus Goldstoff. Er sprach, ohne sonderlich die Stimme zu erheben, verlangte Schweigen von ihnen allen über den Vorfall. Kein
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