Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
und seine Sorgen auf einen Schlag los zu werden.
Die Ruhe des Türken übte auf alle einen unangenehmen Reiz aus. Er hatte ein ewiges Lächeln, das die spitzen Zähne sehen ließ und die Schnüfflerfalten um seine Nase noch vertiefte.
In der staubigen Luft brannte die Kerze oben auf dem Kleidergestell mit trüber Flamme und warf riesengroße Köpfe auf die gegenüberliegende Wand.
»Noch eine«, sagte Fuad. Es war das erstemal, daß er kaufte. Er hatte As und König; nun bekam er eine Sieben. Er legte die Karten auf: »Einundzwanzig«, sagte er unbewegt. Der alte Guy warf ihm einen Franken hin.
»Ich könnte wetten«, sagte Pullmann, »daß er die Karten aus dem Ärmel zieht. Aber bei dem Licht kann man es nicht genau sehen.« Er sprach deutsch und wandte sich ausschließlich an Ackermann. Dieser zuckte die Schultern. Er wollte sich in kein Gespräch einlassen. Die anderen blickten auf Pullmanns Lippen, um womöglich den Sinn des Gesprochenen zu erraten. Es gelang ihnen nicht, denn Pullmann zog mit Erfolg eine unbeteiligte Grimasse.
Ein magerer Kerl wankte herein, kauerte sich in eine Ecke, weit von den Spielenden entfernt, zog eine Mundharmonika aus der Tasche und begann verträumt ein Lied zu spielen. Das Instrument war alt und quiekte sehr falsch. Bisweilen schüttelten den kleinen Mann bösartige Schauer. Dann teilte sich das Zittern auch dem Liede mit, das dadurch so traurig wurde, daß die Spieler mit Fluchen gegen die Störung demonstrierten. Aber der kleine Mann begann immer wieder von vorne die Melodie zu spielen, immer an der gleichen Stelle –
»… oder geht mein Leben ins Verderben,«
machte er einen Fehler, mit unendlicher Geduld verbesserte er diesen Fehler, suchte den richtigen Ton, fand ihn, begann wieder von vorne, um an der gleichen Stelle den gleichen Fehler zu machen.
Pullmann riß dem alten Guy die Karten aus der Hand. Er wollte die Bank übernehmen.
Bärtschi der Schweizer, mit dem feuchten Tomatengesicht, sang die Melodie des Harmonikaspielers mit:
»Ich weiß nicht, bin ich reich oder arm, oder geht mein Leben ins Verderben.«
kümmerte sich nicht um die Unterbrechung und fuhr tapfer fort.–
»Und ich weiß nicht, komm' ich gesund nach Hause oder muß ich in der Fremde sterben.«
Das ›Sterben‹ dehnte er so lange, bis es auch Ackermann zu dumm wurde und er den Singenden anfuhr.
Aber dies brachte Bärtschi nicht aus der Ruhe. Er antwortete ebenso grob, und seine krächzende Aussprache verstärkte noch die Begleitung. So sehr er sonst dem Korporal Untertänigkeit bezeigte, jetzt beim Spiel behandelte er ihn als Gleichgestellten, ja verachtete ihn. Es ging nicht, so fand er in seinem disziplinierten Geist, daß ein Vorgesetzter mit seinen Untergebenen spielte.
Ackermanns Gesicht wurde weiß, und seine Lippen verschwanden zwischen den Zähnen. Er warf die Karten hin, stand auf, Bärtschi duckte sich, er wartete auf den Schlag, der kommen mußte. Aber Ackermann ging mit langen Schritten zu dem Bläser und setzte sich neben ihn. Endlich war er beruhigt und erkundigte sich nach dem Befinden des anderen.
»Immer Fieber«, sagte der kleine Schneider. Dann schwieg er wieder. Bald begann er zu murmeln, verfluchte den Posten, der nie von einem Arzt besucht werde. »Komm«, sagte Ackermann, nahm ihn beim Arm, führte ihn in die Baracke der dritten Sektion zurück, hieß ihn sich niederlegen, zog ihm die Schuhe aus und die Wadenbinden, wickelte ihn in Decken ein und strich ihm dann noch beruhigend über die Haare. Dann brachte er Wasser, befeuchtete sein eigenes Taschentuch und legte es auf die heiße Stirn des Liegenden. Mit glänzenden Augen starrte der kleine Schneider auf die gerippte Decke. Viel Sonderbares schien er dort zu erblicken, denn er murmelte andauernd, seine Hände unter der Decke waren unruhig, er zeichnete Linien nach. Dann warf er sich herum. Er schien etwas zu suchen.
Endlich hatte er es gefunden. Zaghaft setzte er die Mundharmonika wieder an die Lippen, spielte langsam und andächtig; deutlich sah Ackermann, wie das Gehör des Kranken nun den Linien der Töne folgte, als seien sie Wege, die in einem unbekannten Land bergauf und bergab führten. Ackermann ließ den Kranken ruhig weiterwandern.
Er kehrte zurück und fühlte sich durchaus glücklich. Der kalte Zorn war schnell geschmolzen. Er dachte, daß er hätte zur Sanität sollen, erinnerte sich an sein Mädchen, das auch einmal krank gewesen war, und das er gepflegt hatte. Sie hatte ihm damals auch gesagt,
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