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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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gefallen. Er winkte ihr, mit lässig pendelnder Hand, sie gehorchte sogleich, und beide verschwanden im Nebenraum, wo der Schein des anderen Kohlenbeckens die beiden als riesige Schatten an die Wand warf. Dann blieb die Wand lange Zeit leer.
    Pullmann mußte seine Auserwählte zuerst einfangen. Lange lief sie rund um das Zimmer, an den Wänden entlang, neckte ihn, indem sie einen Augenblick anhielt, um ihm dann mit einer brüsken Wendung zu entkommen. Pullmann war außer Atem und seine Stirne feucht. Endlich hielt er seine Beute. Sie hatte eine gedrungene Gestalt, dicke Backen wölbten sich in ihrem Gesicht, und ihre leeren Augen glitzerten wie Tau. Eigentlich sah sie aus wie eine saubere, lebenslustige Köchin.
    Korporal Smith spielte den Gentleman und glich einem Knaben, der das Gebaren der Erwachsenen nachahmt. Er ging auf und ab, fuhr gern mit dem Zeigefinger an die Nase, wenn er eine tiefsinnige Bemerkung machte. Über dem Doppelkinn, das beim Nicken vorquoll wie ein roter Ballon, der von Kinderhänden zusammengepreßt wird, legte sich der Mund in ernste Falten. Er wandte sich mit Verbeugungen und einem gelispelten Französisch an das magere Geschöpf, das geduldig neben ihm herlief und aus leerem Gesicht stumpfsinnig glotzte. Das Mädchen hatte auf der Nasenwurzel sechs eintätowierte Punkte, die in Form eines unregelmäßigen St. Georgs-Kreuzes angeordnet waren. Und diese Punkte fixierte Smith mit aller ihm verbliebenen Aufmerksamkeit, denn er fürchtete sich insgeheim vor der Öde, die in den Augen seiner Begleiterin lag.
    Sergeant Baguelin war sogleich bei der Ankunft der Frauen zur Tür gestürzt. Wahllos hatte er eine aus dem Haufen am Arm ergriffen, der Alten zugerufen, sie möge ihm den Tee erst in einer halben Stunde bringen, und war dann mit seinem Raub verschwunden.
    Obwohl noch drei Frauen müßig herumhockten, wagte sich keine an den alten Kainz. Mit verknöcherter Mißachtung sog er an seiner Pfeife und spuckte regelmäßig aus; damit verschaffte er sich die gewünschte Ruhe. Er starrte dem Rauche nach, nickte zu seinem Murmeln und nahm die Pfeife nur dann aus dem Munde, wenn er seinem Korporal drüben an der Wand ein mildes, aufmunterndes Lächeln zusandte.
    Die Alte brachte den Tee und setzte vor jeden ein dickwandiges Glas, dessen Inhalt nach Whisky und Minze roch. (Der Chef war freigebig gewesen.) Dann ließ sie sich vor Kainz nieder, kümmerte sich nicht um die Mißbilligung, die auf sie niedertröpfelte, sondern erzählte in gebrochenem Französisch von ihrem Liebsten, dem Sergeanten, der sie zwei Jahre lang, während seines ganzen Aufenthaltes in Gourrama Abend für Abend besucht habe. Nun aber sei er entlassen worden und arbeite in Marseille. Und wenn er genug verdient habe, so wolle er sie kommen lassen und mit ihr ein kleines Haus halten mit jungen Araberinnen, und sie würden reich werden und angesehen leben. Ihre Sprache ähnelte stark derjenigen, die der alte Kainz sprach, darum verstanden die beiden sich ganz gut. Zwar beschränkte sich Kainz auf kurze Einwürfe wie »Bon! Trés bon! Oui, oui!«, aber das genügte, um der Alten weiter zu helfen. Nun fragte sie, ob der ›Schibany‹ (der Alte) ihr nicht einen Brief ›machen‹ wolle…
    »Ja, alte Schachtel«, sagte Kainz wienerisch, »das geht scho, aber Caporal Administration là bas besser écrire.«
    »Ah, Caporal Administration, mlech, mlech.« Die Alte nickte begeistert, was den welken Hahnenkamm zum Wippen brachte. »Aber weißt«, fuhr Kainz fort, »non tout de suite, aprés.« Er winkte in die Ferne. Wieder nickte die Alte, sie hatte sich mit den Augen am Munde des Sprechenden festgesehen, und die gespannte Aufmerksamkeit gab ihrem Gesicht einen tierhaft weisen Ausdruck. Als Kainz schwieg, legte sie den schmierigen Kopf an dessen Knie. »Bist a guter Kerl.« Kainz' Lider flatterten heftig. Er tätschelte ihre Schulter, und Fatma gluckste leise unter dieser Berührung wie ein zahmes Huhn.
    Nach dem Verschwinden des Chefs blieb Lös allein. Das Stechen im Kopfe hatte sich wieder eingestellt, es beherrschte jetzt die ganze Stirn, und auch im Hinterkopf war es zu fühlen. Noch etwas störte ihn, doch es gelang ihm nicht sogleich, die Ursache dieser Störung festzustellen. Bisweilen schüttelte er seinen Kopf, als müsse er eine lästige Fliege verscheuchen, fuhr wohl auch mit der Hand über seine Wange. Aber die Störung blieb. Die Kohlenglut warf durch das dicke Glas rötliche Striche auf die Oberfläche des Tees, und die

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