Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
verächtlicher Ruhe. Nur Tiere klagten von ferne über die Unerbittlichkeit des Dunkels. Der Raum über dem Schacht der Mauern war leer.
Vor der Eingangspforte wimmerte es leise, viel leiser als die fernen Tiere. Lös öffnete und Türk sprang begeistert an ihm hoch, sprang zurück, stellte sich auf die gestreckten Hinterbeine und bearbeitete die Luft mit den Vorderpfoten, wie ein Pianist sein Instrument. Dann fand er, es sei genug der Höflichkeiten, beschnüffelte mißtrauisch die Frau, die hinter Lös stand. Sie kreischte auf. Türk nieste verachtungsvoll, dehnte sich, die Schnauze auf die gestreckten Vorderpfoten gelegt, während sein Hinterteil sich in steilem Bogen wölbte. Er gähnte noch und folgte dann seinem Herrn, der auf eine Zelle zuschritt. Es war die falsche, das Mädchen zog ihn weiter bis zur letzten, sie war vom Eingang am weitesten entfernt.
Eine kahle Zelle, zweifellos. Auf dem erhöhten Kopfende der Bettstatt aus getrocknetem Lehm brannte ein Kerzenstumpf. Das Mädchen holte aus einer Ecke eine frische Kerze, weichte das Stearin an der Flamme auf und klebte das tropfende Ende neben die verlöschende. Das Licht der flachen Flamme umspielte den weißen Stab, den der Mond durch die Luke der Hinterwand trieb.
O das harte Bett! Nur eine dünne Matte war darüber gebreitet.
Wie ein großes Sausen war die Stille im Raum. Immer noch stand die Frau regungslos. Sie schien zu warten und zu träumen und stach den Blick in die Dunkelheit, die wie zerzupfte schwarze Wolle den oberen Teil des Raumes füllte.
Türk schnaufte laut; die Frau erschrak, mit einer heftigen Bewegung des verhüllten Arms verlöschte sie fast die Kerze. Da glühte der Mondstab heller auf und brannte sein weißes Siegel auf die Mauer.
Schützend legte das Mädchen die hohle Hand um die Flamme; als sie wieder das Gesicht hob, hatte sie ihr Lächeln vorgebunden.
»Viens«, sagte sie. Es war das erste Wort, das sie mit heiserer Stimme formte.
»Viens, petit chéri«, sagte sie nochmals und winkte mit deutlicher Gebärde.
Lös kam langsam näher und blieb vor der Frau stehen, die sich auf die Kante des harten Bettes gesetzt hatte. Das Licht lag auf ihren Füßen, die breit und nackt auf dem Boden klebten. Die Zehen bewegten sich wie braune Käfer.
Sie verlangte Geld, der Korporal solle ihr Geld geben, sie sei arm, Fatma gebe nichts, sie habe Hunger, oh, so viel Hunger. Denn sie nehme nicht viel ein. Sie sei alt und oft krank. Schon dreimal habe sie der Major konsigniert. Ihr Reden ging in ein Heulen über, ein hilflos weiches Heulen, in dem einige arabische Flüche wie harte Klötze schwammen.
Lös leerte seine Taschen: Münzen waren es nur, dann kam eine Fünffrankennote, ein Douro. Den nahm die Frau eilig und stopfte ihn ins Haar. Das Kleingeld jedoch ließ sie in den hohlen, aufeinandergelegten Händen klimpern, hielt das Spielzeug ans Ohr, heulte wieder los, höher jetzt und freudiger. Sie verschluckte sich und erstickte schier. Dann schlich sie mit lächerlich geheimnisvollen Bewegungen zur Wand, kratzte ein kleines Loch frei und versteckte das Geld darin. Die herabgefallene Erde befeuchtete sie mit Speichel, knetete sie und verschmierte gewissenhaft das Loch. Als sie sich umwandte, war ihr Lächeln greisenhaft, und in ihren Augen lag eine satte Fröhlichkeit.
Nun wollte sie das Kleid abwerfen, besann sich aber. Mühsam erklärte sie, sie sei noch konsigniert, Korporal sei ihr gewesen, Korporal nicht krank werden! Sie nicht gut zu böse Frau, gute Frau, Korporal müde, sich hinlegen. Sie übertrieb ihr spärliches Französisch ins Kindliche. Ungeschickt umfaßte Lös das Handgelenk der Frau – dann glitt seine Hand ab, bis er nur noch den Zeigefinger hielt. Auch diesen ließ er los, und es war ihm, als lasse er eine Kornähre durch die Finger gleiten: denn hart und kühl war der Finger mit seinen kleinen Rissen.
Sie solle sich nun niederlegen, forderte Lös. Gehorsam tat sie es, drückte sich gegen die Wand, um Platz zu lassen für ihn.
Als er sich ausstreckte, stieß er gegen die Kerze, die mit einem Zischen verlöschte. Lös schloß die Augen.
Ihm träumte wirr, und die Zeit verging…
Plötzlich sagte er laut: »Nun bin ich wach«, und stieß sich von der Wand ab. »Nicht gut Angst haben«, sagte eine rauhe Stimme neben ihm. An seiner Schulter lag eine warme Kugel. Er griff nach ihr, sie war ein Kopf. Langsam ließ er das Haar los, das er gepackt hielt. Es fühlte sich grob und trocken an, wie die Mähne eines
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