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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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sendet.
    An einer Ecke ist die Mauer in Form eines romanischen Bogens durchbrochen, in der Nische, die durch die Türe gebildet wird, kann man die Dicke der Mauern messen; ein Mann kann sich dort bequem verstecken. Die Türe, die den Eingang ins Innere versperrt, ist aus viereckigen, spanndicken Bohlen gefügt; diese werden noch von drei Bändern aus geschmiedetem Eisen zusammengehalten. Die Tür ist ganz glatt, kein Schlüsselloch ist an ihr zu sehen. Innen aber sind drei Riegel angebracht, oben, in der Mitte und unten; richtige Gefängnisriegel, die sich noch durch Vorlegeschlösser sichern lassen.
    Im Hof liegen, links vom Eingang, sieben niedere Zellen in einer Reihe; auch deren Türen tragen Riegel und Ringe zum Anbringen von Schlössern.
    Der Zellenreihe gegenüber, und von ihr geschieden durch einen breiten gepflasterten Hof, öffnen sich zwei große Räume, deren niedriges Dach von der Umfassungsmauer noch um einen Meter überragt wird. Diese Räume sind kahl, in dem einen stehen zwei tönerne Schalen, die, gefüllt mit glühenden Holzkohlen, als Kochherde dienen. Der Fußboden des anderen Raumes ist mit zerschlissenen Alfamatten belegt. In einer Ecke erhebt sich, zusammenhängend mit der Mauer und aus dem gleichen Stoff wie diese, ein länglicher Block, das Bett darstellend. Eine dünne Matratze liegt darauf.
    Vor der schweren Türe wurde der Chef ungeduldig. Seine Fäuste vermochten den Bohlen keinen Laut zu entlocken. So entschloß er sich endlich zu einem gedämpften Rufen: »He, Fatma Aroua mna.« Und ebenso gedämpft wiederholte der Chor: »Aroua mna!« »Viens ici!« rief der Chef. »Come on«, krächzte Smith. Da auch dies Rufen erfolglos blieb, wurde der alte Kainz vorgeschickt, der einzige, der genagelte Schuhe trug. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und schlug mit einem Absatz gegen das Holz. Obwohl der Ton, den er hervorbrachte, kaum lauter war als das Klopfen der Fäuste, schien sich doch innen etwas zu regen. Der Chef antwortete einer ängstlichen Frauenstimme in arabischer Sprache. Lange dauerten die Verhandlungen. Der Chef erklärte den anderen, die Alte wolle nicht öffnen, sie habe Angst vor dem Capitaine Materne, der verboten habe, Legionäre nach Mitternacht einzulassen. Der Chef schien aber endlich doch ein unwiderstehliches Argument gefunden zu haben, denn innen schlugen die Riegel kreischend zurück; ein dickes altes Weib wollte sich dem Andrang entgegenstemmen (sie schien nicht auf eine zahlreiche Gesellschaft gefaßt zu sein), wurde aber beiseite gedrückt, und watschelte, mit den Armen schlagend, gackernd davon. Sie glich einem alten weißen Huhn, das schon Federn gelassen hat, so daß die rauhe, entzündete Haut an den kahlen Stellen zu sehen ist; denn die Alte trug ein zerschlissenes Gewand, das sich zwischen ihrem qualligen Körper und den schlenkernden Armen wie Flügel spannte. Das Haar, von schmutzig grauer Farbe, war auf dem Scheitel des Kopfes aufgesteckt und ähnelte dem Kamm einer alten kranken Henne…
    Kainz hatte die Türe als letzter mit einem Fußtritt geschlossen. Zu einem dunklen Klumpen geballt, standen die andern verlegen da. Die Alte hatte in einem der beiden Räume rechts Zuflucht gesucht, und durch die offene Tür drang ein Lichtschein. Die Zellenreihe aber lag da, stumm, finster. – Nicht lange ließ der Chef die Verlegenheit dauern. Vorerst prüfte er die Riegel des Eingangstors, schob sie vor, nickte dem alten Kainz anerkennend zu: »Sicherung gegen außen!« erklärte er. Dann packte er wieder den Arm des stummen Lös, schritt wiegend vorwärts, während er über die Schultern anfeuernde Flüche rief und mit der Hand zum Folgen einlud. Pullmann gehorchte gern der Aufforderung. Er stapfte vorwärts, wie zu einem Angriff, den Kopf gesenkt, die Hände schienen ein Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett zu halten. Smith neben ihm ballte die Fäuste vor der Brust, als gelte es, zu einem Boxkampf anzutreten. Seine Augen schossen unruhig hin und her, und seine Zunge klemmte sich zwischen die Zahnreihen.
    Kainz marschierte als letzter und prüfte mißtrauisch den heftigen Tiergeruch, der den Hof füllte.
    Der Chef prallte gegen die Öffnung des Raumes, wie gegen ein Hindernis; und doch versperrte nicht einmal ein Vorhang den Eingang. Dies Zurückprallen suchte er sofort mit der Breite seiner Schultern zu entschuldigen, für welche die Türe zu eng sei. Er nahm seine Mütze ab, stieß scherzhaft mit der Stirne gegen den niederen Balken, als wolle er sagen:

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