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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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innere Angst. Rasch kehrte Lös noch einmal um, warf dem Spaniol eine Banknote auf den Schanktisch: »Für die beiden Flaschen«, sagte er kurz. Dann näherte er sich der Gruppe am Tor.
    Der Leutnant schickte ihm den weißen Strahl seiner Taschenlampe ins Gesicht und begann sogleich, da dieser Einschüchterungsversuch wirkungslos blieb: »Ich warne Sie, Korporal, ich warne Sie zum letztenmal. Ich habe Ihnen verboten, den Posten ohne meine ausdrückliche Erlaubnis zu verlassen. Wie der Chef mir erzählt, hat er Ihnen einen kurzen Ausgang bewilligt, weil Sie Geschäfte zu erledigen hatten. Einen Ausgang nur. Sie sind zum zweitenmal ausgegangen und haben die Wache zum Mitkommen verführt. Mit Veitl will ich nicht rechten. Er ist krank und nicht fähig, Widerstand zu leisten. Aber Sie. – Übrigens will ich Ihre Rechnungen doch näher untersuchen, denn wie ist es möglich, daß Sie mit Ihrem kleinen Sold Anisette zahlen können, der fünfundzwanzig Franken die Flasche kostet? Selbst mir wäre das zu teuer. – Bitte keine Ausreden, der Sergeant Major hat mich informiert. Für diesmal will ich Ihre Verfehlung noch auslöschen, besonders, weil augenblicklich kein Vertreter für Sie beschafft werden kann. Aber bei der kleinsten Unregelmäßigkeit benachrichtige ich die Intendanz in Bou-Denib und werde dann selbst die Klage gegen Sie aufsetzen. Dann kann Ihnen auch Ihr Capitaine Chabert nicht mehr helfen. Ihnen, Chef, danke ich noch, daß Sie Ihre Pflicht so gewissenhaft erfüllt haben.« Die dünne, näselnde Stimme brach ab wie ein plötzlich abgestopptes Grammophon. Dann warfen die Hände des Leutnants den Vorhang der Finsternis beiseite – und er schloß sich wieder hinter ihm. Die Zurückgebliebenen hörten eine Türe ins Schloß fallen.
    »Amen«, sagte der Chef und begann sogleich, mit gelenkigen Worten sich bei Lös zu entschuldigen. »Du verstehst, ich mußte die Schuld auf dich wälzen: wenn ich einmal kompromittiert bin, kann ich dir nicht mehr helfen. Es muß immer so aussehen, als ob wir überhaupt keine Beziehungen zueinander hätten, dann hält man mich für unparteiisch. Und wenn diese kleine Wanze mich beim Capitaine lobt, so macht sich das gut, der Alte glaubt mir dann auch das, was ich über dich erzähle. Und wenn der Kleine dann die Intendanz in Bou-Denib auf dich hetzt, so hat der Alte auch dort noch Freunde und wird dich heraushauen. Aber vor allem (versteh mich richtig!) muß ich, der Chef, vollkommen makellos dastehen… Verstehst du? Und du glaubst doch nicht etwa, daß ich mich vor dieser kleinen Mißgeburt fürchte? Und jetzt, weißt du, was wir jetzt tun? Wir gehen ins Kloster. Jawohl. Du hast wohl die zwei Flaschen beim Spaniol bezahlt? Das ist recht, ich habe auch nichts anderes von dir erwartet. Nein, kein Wort, sprich jetzt nichts. Du bist ja ganz bleich geworden. Aber eine Tasse im Kreise jener schönen Damen, das wird wieder einen Mann aus dir machen, glaub es mir, Narcisse hat Erfahrung.«
    Sie gingen Arm in Arm über den weiten Platz. Sergeant Baguelin, in einiger Entfernung, folgte kopfschüttelnd. Er winkte dem alten Kainz: »Ça pas bon«, sagte er und zeigte auf die Voranschreitenden. »Pas bon«, wiederholte der alte Kainz und zog einen sorgenvollen Mund. »Dommage für Caporal.« Sie nickten sich zu und bogen dann in ein schmales Gäßchen ein, in welchem die Nacht zäh und beklemmend stand, wie die Luft in einem verlassenen Kohlenbergwerk.

Das Kloster
    Fernab von den wenigen Häusern, die im Schutze des Postens hocken, steht ein sonderbarer Bau, den eine drei Meter hohe Mauer beschützt. Viele haben vergeblich versucht, die Mauer zu übersteigen, Senegalneger und algerische Tirailleurs, Spahls und Gums; selbst wenn ein Mann auf die Schultern seines Kameraden klettert und sich am First anklammern will, um sich hochzuziehen, gleiten seine Hände von der schief nach außen abfallenden Fläche ab, und seine Finger schneiden sich an den Flaschenscherben, die zackig-glitzernde Ornamente bilden.
    Tagsüber herrscht hinter diesen Mauern tiefes Schweigen. Am Abend jedoch und bisweilen an den Löhnungstagen, die Nacht hindurch, rötet ein schwacher Schein die Luft über dem dachlosen Viereck, ein Summen dringt aus dem Bau, das bei aufmerksamem Lauschen in wüste Schreie und schrillen Gesang zerfällt. Aber die Töne verlieren ihre Kraft, bevor sie noch die dicken Mauern durchdrungen haben, nach oben jedoch sind sie ein riesiges Megaphon, das den verworrenen Lärm in einen stummen Himmel

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