Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
einen kurzen Gruß und pfiff seinem Fox. Dieser Pfiff zwang auch Major Bergeret, der eben über den Hof ging, zum Stillstehen. Die beiden erreichten sich, Mauriot lief in sein Zimmer und kam mit dem Tropenhelm auf dem Kopfe wieder zurück. Dann gingen sie in der Richtung des ›Bureau arabe‹ davon, Capitaine Materne hatte sie wohl zum Mittagessen eingeladen.
Obwohl der alte Kainz ein paar gebratene Hühner gekocht hatte und diese kunstgerecht auf einer braunen irdenen Platte servierte, ließ Lös das einladende Essen stehen und ging gedankenlos zwischen den glühenden Baracken spazieren. Niemand zeigte sich, selbst die Wache am Tor hatte sich in der Hitze aufgelöst. Ein wenig später kam der Leutnant allein zurück, er wollte auf die Jagd gehen, holte seine Flinte; Mehmed begleitete ihn, trug eine gelbe Ledertasche und die Feldflasche. Der Fox sprang mit und bellte. Auch Türk wollte sich der Expedition anschließen, er fegte mit dem Bauch über den Boden, daß der Staub in einem schmalen Strich hinter ihm aufwirbelte, aber der Leutnant empfing ihn mit einem Fußtritt, der Türk wie eine Walze fortrollen ließ. Lös sprang vor, um seinem Hund zu helfen und den Quäler zu strafen: zwei Sprünge nahm er, da sah er die goldenen Schnüre auf den Ärmeln des Leutnants aufleuchten. Kriegsgericht, dachte er, sah einen hohen Saal mit strengen Männern an einem Tisch, dann eine Ebene, auf der gebückte Gestalten in zerrissenen Kleidern Steine klopften. Hitze und Durst, ein Aufseher schlug mit einem Gummiknüttel einen Rücken wund, in der Ferne standen Schwarze in Uniform, grinsten und legten Gewehre an. Lös' Füße wurden lahm, er stockte und streichelte Türk, der bekümmert antrabte, bedrückt vom höhnischen Anglotzen Mauriots. Dann zogen sich Herr und Hund in die Verpflegung zurück, in den schmalen Schatten des Weinschuppens. Schnell begoß Türk noch die Kartoffeln, mit heraushängender Zunge schnaufte er dabei, dann legte er sich neben seinen Herrn und beide schliefen ein.
Und beide träumten. Türk knurrte, schnappte nach Waden, rächte sich für den empfangenen Fußtritt, schnaufte erlöst und ließ ein tiefes befriedigtes Grunzen hören. Aber die Unruhe seines Herrn weckte ihn, er besah diesen aufmerksam, hörte ihn laut stöhnen, sah ihn um sich schlagen, zusammenfahren und dann ununterbrochen zittern, als müsse er frieren oder an einem schrecklichen Orte ausharren, gepeinigt von Angst. Da bellte Türk laut vor dem Ohr des Schlafenden, wie um seine Hilfe anzubieten in großer Not, stieß mit seiner Schnauze gegen die Wange, und als all dies nichts nützte, trommelte er mit den Vorderpfoten auf der unruhig wogenden Brust. Lös erwachte, blickte verstört um sich, aber es war nur Hitze um ihn und neben dem Dachvorsprung, dessen Balken braun und rissig waren, die blaue Glasplatte des Himmels. Dankend fuhr er dem Hund über den spitzen Kopf und versuchte die Angst loszuwerden, die als Rest des Traumes immer noch vorhanden war.
Er sprang auf und lief davon, um dem Alpdruck zu entgehen, vorbei an der Wache am Tor, die ihm etwas nachrief, das er nicht verstand. Er hatte den Mann gar nicht erkannt. »Fieber hab ich«, tröstete er sich laut, »das ist der Grund für die schweren Träume.« Er versuchte, sie zusammenzusetzen, aber sie waren schon verweht. Sie handelten von Nägeln und von Bohlen, die auf einem Flusse trieben; an diesen schwimmenden Bohlen waren die Füße eines Mannes angenagelt, der am Ufer saß…
Er hatte den Eingang des Ksars erreicht. Im Schatten des Tores saß Zeno, und es sah aus, als habe sie tagelang an dieser Stelle gewartet. »Labés, Caporal!« rief sie, zaghaft erschien ihr rauhes Händchen. – Sie habe gestern und heute den ganzen Tag hier gesessen, erklärte sie, und es war kein Vorwurf in ihrer Stimme, nur ein Bedauern über die vielen verlorenen Stunden. Es schien Lös, als sehe er sie zum erstenmal deutlich: sie war ein Mensch und nicht nur eine Gestalt seiner Vorstellung. Und dieses plötzliche, ein wenig erschreckende Sichtbarwerden steigerte die Unruhe, die der Traum hinterlassen hatte. Er zwang sich zu Lustigkeit, um ihr zu antworten: »Schuia, schuia«, was die korrekte Erwiderung ihres Grußes war. (Wie geht's? – So ziemlich.) Er folgte ihr durch die dunklen Gänge, die mit Hitze gefüllt waren, mit summenden Fliegenschwärmen und einer dicken, schier flüssigen Luft, die in die Lungen sickerte als klebriger Schaum; nachher war die Weite der Terrasse wie Höhenluft. Ein
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