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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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könne nicht versprechen, diese Nacht zu kommen, aber er wolle es versuchen, setzte er hinzu, als er Zenos Traurigkeit sah. Die Mädchen begleiteten ihn bis an den Oued, dann kehrten sie zurück. Oft wandten sie sich um, winkten… Dann verschwanden sie im dunklen Tore des Ksars.
    Einsam war der Abend. Lös versuchte zweimal, den Posten zu verlassen – es gelang ihm nicht. Etwas Unsichtbares hielt ihn zurück. Das zweite Mal hatte er schon die Mauer erstiegen, hinten beim Mauleselpark. Rittlings saß er oben und hob schon das Bein, um sich abzustoßen. Dann ließ er es wieder sinken und kletterte mühsam in den Posten zurück. Es kam zu keinem dritten Versuch. Lös hatte sich hingelegt und war eingeschlafen, tief und fest, ehe er sich's versah.
    Zwei Tage blieb Lös im Posten, ohne den Versuch zu machen, Zeno zu sehen; daran war die schlechte Laune des Leutnants schuld. Mauriot besuchte ein paarmal die Verpflegung und hatte viel über die herrschende Unordnung zu schimpfen. Als er jedoch an einem Abend den oberen Zapfen eines Weinfasses offen fand, war sein Zorn übermäßig. Seine Lungen waren gesund und der Atem wollte ihm auch nach fünf Minuten Fluchen nicht ausgehen. Er diktierte Lös acht Tage Zimmerarrest und versprach ihm Gefängnis, wenn es ihm einfallen sollte, den Posten zu verlassen. Glücklicherweise war er am nächsten Tag auf die Jagd gegangen, als der Jude endlich mit der Schafherde erschien. Wortreiche Entschuldigungen brachte er vor: sein kleiner Knabe sei gestorben. Er erzählte diese Neuigkeit ohne Rührung, lachte auch gleich darauf und stieß Lös mit dem Ellbogen in die Seite, denn er wollte ihn an das heutige Geschäft erinnern. Lös nickte, sein Interesse war gering, er konnte auch dem heimlichen Grinsen des alten Kainz keinen Geschmack abgewinnen. Die Freude darüber, nun mühelos wieder zu Geld zu kommen, wollte sich nicht einstellen. Warum mußte er die Verwaltung betrügen? Und noch den schwarzbärtigen Juden mit dem geometrischen Kegelschnitt auf dem Schädel? War er nicht sehr zu verachten, er, der Korporal der Verpflegung, da er zugleich zwei Parteien hinterging? Die Strafe, die Strafe ereilt dich in der Zukunft, dachte er.
    Doch keine Gewissensbisse störten den alten Kainz. Er verdiente nichts bei diesem Manöver. Es war der Genuß am Handel und am Betrug, der ihn die ganze Zeit die schmalen Lippen verziehen ließ, während er die Spitze seines grobgenagelten Schuhes unter der Plattform der Waage spielen ließ. Der Jude war kurzsichtig und beugte sich tief über die metallene Skala, verlangte langsame Arbeit und rieb seine Nase auch an den Zahlen, die Lös auf ein weißes Blatt schrieb. Sehr verwundert war der Viehhändler über das geringe Gewicht seiner Schafe. Den Tieren wurden mit Riemen die Beine zusammengeschnallt, mit einem Schwung warf sie dann Kainz auf die Waage, Lös schob das Gewicht hin und her, bis der Balken waagrecht stand: zehn, höchstens elf Kilo wogen sie. Zum Schluß kamen noch fünf zwerghafte Kühe dran, von einer derart unglaublichen Magerkeit, daß sie aus Pharaos Traum zu stammen schienen.
    Bei zwei Wassergläsern voll Schnaps wurde in Lös' Büro der Kauf besiegelt. Lös schrieb die Liste ins reine und schenkte jedem Schaf drei Kilo Lebendgewicht mehr (den Kühen fünf). – Dies machte bei den 180 Tieren eine beträchtliche Summe aus: 250 frs. erhielt Lös ausbezahlt; günstig war vor allem, daß der Leutnant die Liste nicht zu unterschreiben brauchte, der Stempel der Verwaltung, verbunden mit Lös' Namenszug genügte. Dann verbeugte sich der Jehudi, die flache Hand auf der Magengrube und wehte zur Türe hinaus. Die Flasche mit Dattelschnaps, die er mitgebracht hatte, ließ er auf dem Tische stehen, und Lös leerte sie mit dem alten Kainz.
    Beide waren sehr selbstsicher, als sie die Hütte verließen und in den sanften Abend traten. Ihre Beine zwar waren steif, doch stützten sie den Rumpf so gut, daß er nicht schwankte. Und eine Wirkung hatte dieses Getränk noch auf Lös: Es vertrieb die Angst, obwohl er wußte, daß sie unterirdisch weiterfloß, gleich einer vergiftenden Flüssigkeit, die alle Gewebe durchtränkte. Vorläufig war die Angst erstarrt. Dieses Erstarren konnte man mit jenem Prozeß vergleichen, der aus einer gesättigten Lösung zuerst die Kristalle ausscheidet, bis die ganze Flüssigkeit schließlich zu einem Block gefriert, der nicht einheitlich ist, sondern in seinem Innern feine Nadeln zeigt. Durch jenes Erstarrtsein erhielt der

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