Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
mageres Mädchen in kurzem, hemdartigen Gewand stand in der Mitte der Plattform, die Hände im Nacken verschränkt, und starrte in den Himmel.
Zeno erklärte, dies sei Leutnant Lartigues Frau. Sie langweile sich so, seit die Kompagnie fortgezogen sei. – Ein längliches Gesicht wandte sich Lös zu, eine Hand streckte sich ihm eifrig entgegen, ein hohes Lachen ließ die Lippen von den Zähnen zurückschnellen, die wie winzige Dominosteine aussahen. Das Mädchen setzte sich auf den Boden, schlug ein Bein übers andere und zeigte, ohne falsche Scham, ihre wohlgeformten Schenkel.
So ein guter Mann sei der Leutnant, ihr Freund, aber er sei fort und habe sie ganz allein gelassen. Sie sprach ein fast fehlerloses Französisch, und Zeno sah die Freundin bewundernd an. Auch Lös tat die offene Kameradschaftlichkeit wohl, mit der er empfangen wurde. Zeno lehnte sich an ihn, er hielt ihre weiche Schulter in seiner Hand – Türk aber schloß sogleich Freundschaft mit der Fremden, die keinen Abscheu vor ihm empfand, wie ihn sonst die Einwohner vor Hunden zeigten.
Lös begann zu erzählen: Von den Unannehmlichkeiten der letzten Tage, vom Leutnant, der ihn quäle, vom Chef, der ihn ausnütze. Zeno brachte Tee, sie erzählte, ihr Vater arbeite im Garten, den der Korporal gekauft habe. Lös wußte nicht, wie er die Fremde anreden sollte. Ein paarmal nannte er sie: »Mademoiselle«, was beide Mädchen zum Lachen brachte. Sie habe ihren Namen vergessen, erklärte Lartigues Freundin. Der Leutnant nenne sie Alice, und sie habe diesen Namen gern, der Korporal solle sie nur auch so nennen. Nach dieser Vorstellung schüttelten sie sich lachend die Hände, Zeno stimmte ein.
Aber, sagte Alice, sie wolle einen guten Rat geben. Lös solle acht geben, Zeno dürfe kein Kind bekommen, das sei gefährlich. Sie machte ein ernstes Gesicht. Man könne ja nicht wissen, wie lange der Korporal in Gourrama bleibe, wenn er dann fortgehe und das Mädchen da (sie streichelte Zenos Schulter und berührte dabei, wie unabsichtlich auch Lös' Hand) ein Kind erwarte, so sei das bös. Oh, auch bei ihr sei es einmal beinahe soweit gewesen, aber sie sei zu einer alten Frau hier in der Nähe gegangen.
Er wolle schon für Zeno sorgen, versicherte Lös, so gut er könne; aber vielleicht brächten schon die nächsten Tage neue Verhältnisse (er sagte es lachend, das Kriegsgericht hatte auf einmal jeden Schrecken verloren, es war eine Abwechslung, aber keine einschneidende, sicher nicht!), doch dann wolle er Zeno unter des alten Chaberts Schutz stellen. – Nein, nein! Davon wollte Alice nichts wissen. Wenn da jemand helfen müsse, so käme einzig Leutnant Lartigue in Frage. Das sei ein anständiger Mensch, während der Capitaine ein alter Satyr sei, man kenne ihn wohl. Zeno stimmte bei. Traurigkeit zerknitterte ihre Gesichtshaut. Sie umklammerte mit dem Arm Lös' Schenkel, als könne sie den Mann schützen und festhalten. Für Lös war diese Bewegung tröstlich, und die Sorge um das kleine Mädchen löste wohltuend die Angst ab, die er vor seinem eigenen Schicksal empfand.
Aber eine sonderbare Zweideutigkeit schien sich über die Geschehnisse zu breiten: so, als erlebe er sie nicht zum erstenmal, sondern als seien sie nur eine Wiederholung von früher Erlebtem. Wo hatte er nur diese magere Mädchengestalt schon gesehen, die so eifrig und lachend über Dinge sprach, die sonst verschwiegen wurden? Auch Zeno sah altbekannt aus, und die Dirne gestern hatte auch ihr Ebenbild in einer nicht allzu fernen Vergangenheit. Alicens gelles Lachen weckte ihn. Sie trug ein Paar rote Pantoffeln und Türk hatte einen von diesen geraubt. Den schleppte er triumphierend, immer wieder zurückschielend, an den Dachrand, warf ihn in die Höhe, fing ihn mit dem Maul auf, verbiß sich knurrend in das Leder, wich, wenn man ihm zu nahe kam, mit jugendlicher Behendigkeit aus und ließ sich endlos um die Terrasse jagen. Alle drei nahmen an der Jagd teil. Türk war behend, und das Lachen trübte die Geschicklichkeit der Jäger. Zeno mußte sich setzen, ihre Augen standen voll Tränen, ihr Lachen drang mit keuchenden ›Hi‹-Lauten zwischen ihren Lippen hervor. Da kam Türk gravitätisch, mit zitterndem Schwanz herbei und legte den Pantoffel in Zenos Schoß. Dann ließ er sich ermüdet hinfallen, seine Zunge hing ihm aus dem triefenden Maul, aber hoch trug er den Kopf, denn er war stolz, zur Erheiterung der Gesellschaft beigetragen zu haben.
Die Sonne stand schon tief, als Lös aufbrach. Er
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