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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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nehmen. Was, ein Typhus, das wäre so etwas nach Ihrem Herzen gewesen! Ich habe das gestern an Ihrer Stimme erlauscht, die so freudig geklungen hat. Also Typhus ist es nicht. Nun, laßt uns sehen, was es sonst sein könnte.«
    Die Untersuchung ging schweigend weiter. Aber Frank benahm sich sehr dumm. Sobald der Arzt irgendeine Stelle des Unterleibs berührte, wimmerte er leise und nachdrücklich. Als Bergeret jedoch herzhaft auf die Stelle drückte, rechts gerade oberhalb des Beckenknochens, stieß Frank einen langgezogenen, hohen Schrei aus, der wie das erstickte Plärren eines Babys klang. Türk benützte diese Gelegenheit zu einem Angriff auf die Reitstiefel des Arztes, ein leicht abzuwehrender Angriff, denn Türk beruhigte sich sogleich, als Bergerets Hand seinen Kopf streichelte. Nur Leutnant Mauriot war wieder einmal unzufrieden: woher der Hund komme, und ob Lös die Erlaubnis habe, einen Hund zu halten, wollte er wissen. Aber Bergeret verscheuchte die Gereiztheit mit einer höflichen Frage: Mauriot habe doch auch einen Hund gehabt, einen kleinen Fox, wenn er sich recht erinnere. Was denn aus diesem geworden sei? Er habe sich überfressen vor ein paar Tagen, aber heute gehe es ihm wieder besser, und er wolle ihn gegen Abend mitnehmen auf die Jagd, erwiderte der Leutnant.
    »Ja«, sagte Bergeret nach einer stummen Pause und quirlte sein Stethoskop zwischen den Handflächen, nahm dann einen alten Hornzwicker aus der oberen Tasche seines Uniformrockes und setzte ihn mit einer breiten Bewegung auf seinen Nasensattel. »Leberkrank ist dieser junge Mann entschieden. Ganz entschieden. Fragt sich nur, welche Erkrankung hier in Frage kommt.« Er blickte jedem eingehend ins Gesicht, als seien diese Gesichter medizinische Werke, aufgeschlagen auf Stehpulten liegend. »Ich weiß, was wir machen«, er schraubte umständlich die obere Scheibe des schwarzen Gerätes in seiner Hand ab und ließ es in eine Seitentasche gleiten. »Ich werde den jungen Mann da einfach mit nach Rich nehmen, und dort werde ich ihn ganz genau untersuchen, in seinem Urin nachforschen nach Zucker, Eiweiß oder nach sonst nicht dorthin gehörenden Stoffen. Sehr gut. Und dann werden wir ihn für die Reform vorschlagen. Für die Reform.« Er setzte mit der Faust einen ausdrucksvollen Punkt an den Schluß seiner Rede.
    Bei dem Wort ›Reform‹ fing Franks Gesicht an, sich zu verziehen. Es war zuerst nicht klar, ob er weinen wollte. Aber dann zog sich der Mund in die Breite, die Augen öffneten sich weit und wurden leuchtend: er stotterte: »Oh, Reform, oui, oui« mit einer vor Glück zitternden Stimme wie ein Kind, dem man die Gewährung eines unerfüllbar gedachten Wunsches verspricht.
    »So sind die Leute nun«, sagte der Major und wischte mit den kurzen Fingern Falten aus seiner Stirn. »Nie sind sie zufrieden. Und doch haben sie es sicher besser bei uns als in ihrer Heimat. Was erwartet sie dort? Hunger und Elend. Hier sind sie gekleidet, gefüttert, der Lohn langt, spärlich zwar, für Zigaretten und Wein. Und nun wollen sie dies glückliche Leben eintauschen gegen eine zweifelhafte Zukunft, in einem Lande, dem sie längst entfremdet sind. Sie glauben nicht«, dabei wandte er sich an keinen bestimmten Zuhörer, sondern sprach in die Luft hinaus, »ein wie kompliziertes und schwer definierbares Gefühl das sogenannte Heimweh ist. Gewiß, auch ich sehne mich manchmal nach dem schwarzen Himmel von Lyon, dessen Farbe sich entschieden nicht mit der azurnen Bläue dieses Himmels vergleichen läßt. Sehen Sie, auch in den seelischen Zuständen des Heimwehs herrscht entschieden das große ökonomische Gesetz von Angebot und Nachfrage vor. Um dem Angebot der ›Reform‹ gerecht zu werden, läßt sich der Körper bestimmen, Schmerzen zu erdulden, ich möchte sagen: zu produzieren; ich bin mir klar, daß ich mich sibyllinisch ausdrücke, aber das tut nichts.«
    Und nach einer echt ärztlichen Gebärde den Kranken an der Schulter packend und ihn gelinde schüttelnd, empfahl sich Herr Major Bergeret.
    Leutnant Mauriot ließ dem Arzte den Vortritt, wandte sich noch einmal um und rief unnötig laut: in einer Stunde kämen die Kartoffeln, er erwarte den Korporal zum Wiegen, und der Korporal solle nicht vergessen, was gestern abgemacht worden sei; die Zahlen deutsch anzugeben, und außerdem bei jedem Gewicht mindestens fünf Kilo abzuziehen. Für die Erde, fügte er erklärend bei, da Major Bergeret erstaunt zurücksah.
    »Und ich kann mir in die Hände spucken,

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