Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
zögernd, »und er beruft sich auf die Königin.« – »Der Brief ist nicht von der Königin, soviel ich sehe«, antwortete die Alba. Und, nicht laut, doch die Kinderstimme hart, schloß sie: »Müssen Sie springen, wenn Manuel Godoy kommandiert?«
    Goya war voll hilfloser Wut. Sah sie nicht, daß er noch immer nicht Erster Maler des Königs war? Daß er abhängig war von der Gunst Doña María Luisas? Andernteils saß sie hier in dem langweiligen Piedrahita nur seinethalb, sie wird bitter gekränkt sein, wenn er ging. »Ich kann«, antwortete er lahm, »meine Abreise vielleicht zwei oder drei Tage hinausschieben, vielleicht vier oder fünf. Ich kann erklären, ich hätte hier noch ein Porträt fertigzumachen.« – »Das ist freundlich von Ihnen, Don Francisco«, sagte mit jener grausamen Liebenswürdigkeit, die allein sie in ihre Stimme legen konnte, Cayetana. »Bitte, sagen Sie dem Mayordomo, wann Sie den Wagen wünschen.«
    Jetzt aber wurde ihm die ganze Not lebendig jener Nacht, da er ihrethalb hatte warten müssen auf die Nachricht von der tödlichen Erkrankung seiner kleinen Elena. »Verstehen Sie doch«, brach er aus, »ich bin kein Grande. Ich bin Maler, ein ganz gewöhnlicher Maler, der abhängig ist von den AufträgenDoña María Luisas. Und«, setzte er hinzu, sie voll und finster anschauend, »auch von denen Don Manuels.« Sie antwortete nichts; aber mehr als Worte es hätten tun können, reizte ihn die kleine, unendlich hochmütige Verachtung ihrer Miene. »Dir liegt nichts an meinem Erfolg«, wütete er. »Dir liegt nichts an meiner Kunst. Dir liegt nur an deinem Vergnügen.«
    Sie ging, nicht schnell, mit ihrem kleinen, festen und doch schwebenden Schritt.
    Er verabschiedete sich von der Marquesa, von Don José.
    Und, sich überwindend, sprach er
    Auch bei Cayetana vor. Doch
    Die Dueña sagte trocken,
    Ihre Hoheit sei beschäftigt.
    »Wann kann ich sie sehen?« fragte
    Don Francisco. »Ihre Hoheit
    Ist den ganzen Tag beschäftigt,
    Heute und auch morgen«, sagte
    Höflich unbeteiligt Doña
    Eufemia.

16
    Im sechzehnten Jahrhundert hatte es zwei große Vertreter des spanischen Menschen gegeben; der eine war der Ritter, der Grande, der andere der Pícaro, der Unterprivilegierte, der Lump, der in ständigem, unterirdischem Kampf gegen alle durch List, Betrug und Geistesgegenwart sein Leben fristete. Das Volk und seine Dichter verehrten und priesen den Helden und Ritter, aber sie priesen nicht weniger und liebten mehr den Pícaro und die Pícara, das schlaue, nie verzagte, immer lustige, lebenstüchtige Gesindel der untern Klassen. Der Pícaro war dem Volk ein ebenso gültiger Ausdruck Spaniens wie der Grande, sie ergänzten einander, und große Dichterhaben die Pícaros Guzmán und Lazarillo, die Schelme und Lumpen, mit ihrem Elend, mit ihrem saftigen, von keiner Moral benagten Materialismus und mit ihrem tüchtigen, fröhlichen, erdnahen Verstand ebenso lebendig erhalten wie die Repräsentanten des Rittertums, den Cid und den Don Quijote.
    Im achtzehnten Jahrhundert waren Pícaro und Pícara zum Majo geworden und zur Maja.
    Deren Wesen und Brauch, der Majismo, war aus dem Spanien jener Zeit sowenig fortzudenken wie das absolute Königtum und die Inquisition.
    Es gab Majos in allen großen Städten. Doch Hauptsitz des Majismo blieb Madrid, ein bestimmter Teil von Madrid, die Manolería. Die Majos waren Schmiede, Schlosser, Weber, kleine Gastwirte, Fleischer, oder sie lebten vom Schmuggel, vom Hausieren, vom Spiel. Die Majas hielten wohl einen Weinschank, oder sie flickten Kleider und Wäsche, oder sie waren Straßenverkäuferinnen, boten Früchte an, Blumen, Lebensmittel aller Art; sie und ihr Tand fehlten auf keiner Wallfahrt und keinem Jahrmarkt. Auch verschmähten sie es nicht, aus reichen Männern Geld zu ziehen.
    Die Anhänger des Majismo hielten fest an der überkommenen spanischen Tracht. Der Majo trug pralle Kniehosen, Schnallenschuhe, die kurze Jacke und die breite Schärpe, den gewaltigen Schlapphut, niemals fehlte der lange Mantel, die Capa, niemals die Navaja, das zusammenklappbare Messer, niemals die mächtige, schwarze Zigarre. Die Maja trug niedrige Schuhe, ein ausgeschnittenes, besticktes Mieder, über der Brust gekreuzt den farbigen Schal; bei Festen prunkte sie mit Spitzenmantilla und hohem Kamm. Sehr häufig trug sie im linken Strumpfband den kleinen Dolch.
    Die Behörden sahen mit Mißbehagen auf den langen Mantel und den gewaltigen, das Gesicht verdeckenden Schlapphut der Majos. Die

Weitere Kostenlose Bücher