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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Majos liebten den langen Mantel, weil sich darunter die Flecken und der Schmutz ihres Gewerbes ohne Mühe verbergen ließen und zuweilen auch anderes, wassie nicht zeigen wollten, und sie liebten den Schlapphut, der ein Gesicht, welches ungern erkannt werden wollte, bequem beschattete. »Meine Madrilenen«, klagte der Dritte Carlos, »schleichen durch die Straßen, die Gesichter verdeckt wie Verschwörer, nicht wie die friedlichen Untertanen eines zivilisierten Monarchen.« Sein Erster Minister, der Staatsmann Squillace, den er aus Neapel mitgebracht hatte, verbot schließlich Mantel und Hut. Aber da meuterten die Majos, und der volksfremde Minister wurde aus dem Lande gejagt. Ein klügerer Nachfolger verordnete, daß der Henker bei Ausübung seines Berufes den unerwünschten Hut trage; das bewirkte, daß manche auf den Hut verzichteten.
    So wie ihre eigene Tracht hatten die Majos und Majas ihre eigenen Sitten, ihre eigene Philosophie, ihre eigene Sprache. Der Majo verehrte die altspanische Tradition und verteidigte fanatisch das absolute Königtum und Priestertum, aber er haßte die wechselnden Gesetze und Verordnungen und beachtete sie nicht. Er hielt den Schmuggel für sein Privileg, es war ihm Ehrensache, nur geschmuggelten Tabak zu rauchen. Die Majos hielten auf Würde, sie waren schweigsam. Aber wenn sie sprachen, dann brauchten sie bildkräftige, hochtönende Worte, und ihre Großmäuligkeit und farbige Prahlerei war eine Quelle der Dichtung und berühmt über die Grenzen.
    Der Majo war stolz. Niemand durfte ihn zur Seite drängen oder auch nur schief anschauen. Er lebte in ständiger Fehde mit dem Stutzer der Mittelklassen, dem Petit-maître, dem Petimetre. Den erlesenen Anzug eines Bürgersöhnchens zu ramponieren, die sorgfältige Frisur einer Petimetra zu zerzausen, war ein Hauptvergnügen der Majos und Majas. Die Polizei ging dem Majo aus dem Wege. Auch andere gingen ihm aus dem Weg; denn er war händelsüchtig und mit starken Worten, wohl auch mit Hieben und mit dem Messer schnell zur Hand.
    Im Kampfe gegen Aufklärung und Vernunft, gegen französisches Wesen, gegen die Revolution und alles, was damitzusammenhing, war der Majo der beste Alliierte der Monarchie und der Kirche. Der Majo liebte die prunkvollen Königsschlösser, die farbigen Aufzüge der Granden, die prächtigen Prozessionen der Kirche, er liebte Stiere, Fahnen, Pferde und Degen, und sein wilder Nationalstolz sah mit Mißtrauen und Haß auf den Intellektuellen, den Liberalen, auf den Afrancesado, der das alles abschaffen wollte. Umsonst versprachen fortschrittliche Schriftsteller und Staatsmänner dem Majo bessere Wohnstätten und üppigeres Brot und Fleisch. Er verzichtete darauf, wenn man ihm bloß seine großen Spiele und Feste beließ.
    Denn die Majos und die Majas waren das bunte und fanatische Publikum dieser großen Feste. Sie drängten sich im Patio der Theater, sie bildeten die Kerntruppe der Chorizos und Polacos, sie randalierten, als die Autos Sacramentales verboten wurden, die volkstümlichen Heiligen Spiele, in denen etwa Christus, vom Kreuze gestiegen, Dornenkrone und Lendenschurz mit dem Kostüm des Majos vertauschte, um mit den andern Darstellern der Leidensgeschichte eine Seguidilla zu tanzen. Die Majos waren begeisterte Anhänger, Apasionados, der Autos de Fe und ebenso enthusiastische Anhänger, Aficionados, der Stierkämpfe, empört, wenn ein Torero, ein Stier oder ein Ketzer schlecht starben. Sie sahen auf gute Haltung.
    In Dingen der Liebe war der Majo feurig, großherzig, weitherzig. Er gab seiner Geliebten bunte Geschenke, verprügelte sie, wenn sie ihn im geringsten ärgerte, und verlangte seine Geschenke zurück, wenn er sie verließ oder sie ihn. Die Maja trug kein Bedenken, einen verliebten Petimetre bis aufs letzte auszuplündern; auch die verheiratete Maja hielt sich gerne einen wohlhabenden Cortejo oder ihrer zwei. Die spanischen Männer rühmten der Maja jene Eigenschaften nach, die sie an der Frau am höchsten schätzten: sie sei unzugänglich stolz auf der Straße, engelhaft in der Kirche, teuflisch im Bett. Auch die Ausländer stimmten darin überein, daß keine Frau der Welt so viel Lust, Begier und Erfüllung verheißenund verschaffen könne wie die richtige Maja. Der Gesandte Louis’ des Sechzehnten, Jean-Francois de Bourgoing, fand in seinem berühmten Buch über Spanien sehr viele Worte, um die Schamlosigkeit und Zügellosigkeit der Maja zu verdammen, und noch mehr, die Lockung und die Lust zu

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