Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Du.
Eines Tages, auf einem Spazierritt zu der Ruine des altenJagdschlößchens Valsain, hatte er sich wieder einmal darüber lustig gemacht, daß Francho, noch immer in Piedrahita, die Alba so gar nicht satt bekomme. Auch diesmal hatte Pepa nichts erwidert. Später aber kam sie überraschend auf seine Worte zurück. Sie waren abgestiegen, sie lagerten auf der Erde, der Reitknecht hatte ihnen ein kleines Mahl zurechtgemacht, sie aßen. »Eigentlich«, meinte sie unversehens, »sollte mich Francisco zu Pferde malen.«
Don Manuel war gerade im Begriff, sich ein Stückchen Hasenpastete zu Munde zu führen. Er ließ die Hand sinken. Pepa war nicht eben eine gewandte Reiterin, aber sie sah zu Pferde wunderbar aus, das mußte jeder zugeben, es war mehr als begreiflich, daß sie sich im Reitkleid malen lassen wollte. Andernteils war das Reiten zu Pferde bis vor kurzem ein Privileg der Granden gewesen; es war Personen, die nicht dem Hochadel angehörten, zwar nicht gerade verboten, sich zu Pferde porträtieren zu lassen, doch war es bisher nicht geschehen, es war zumindest ungewöhnlich. Und was wird die Königin, was die ganze Welt dazu sagen, wenn der Erste Minister die junge Witwe Tudó zu Pferde malen ließ? »Don Francisco«, gab er zu bedenken, »ist in Piedrahita, in Ferien, bei der Alba.« Pepa, ein klein wenig erstaunt, erwiderte: »Wenn Sie es wünschen, Manuel, wird Don Francisco vielleicht geruhen, seinen Landaufenthalt in San Ildefonso zu nehmen statt in Piedrahita.« – »Vous avez toujours des idées surprenantes, ma chérie«, sagte Don Manuel. Sie aber, in schwerem Französisch, fragte zurück: »Alors, viendra-t-il?« – »Naturellement«, antwortete er, »comme vous le désirez.« – »Muchas gracias«, sagte Pepa.
Je länger Manuel ihren Wunsch bedachte, so mehr Spaß hatte er selber an der Vorstellung, der hochmütigen Sippe der Albas den Maler wegzunehmen. Aber wie er Francho kannte, war dieser imstande, seine Aufforderung unter einem Vorwand abzulehnen; wenn er ihn wirklich hier haben wollte, mußte er ihn auf eine sehr wirksame Art einladen.
Er bat María Luisa, sie möge doch die Muße von San Ildefonsobenützen, sich wieder einmal für ihn malen zu lassen, und zwar von der Hand Goyas; auch er wolle dann bei ihm ein Porträt bestellen, für sie. Das Schäferglück der frechen Alba zu stören, war ein Gedanke, der Doña María Luisa lockte. Das sei keine schlechte Idee, meinte sie. Manuel könne Goya mitteilen, er möge kommen; sie werde vermutlich Zeit finden, ihm für ein Porträt zu sitzen.
Um seine Botschaft wichtig zu machen, schickte der Príncipe de la Paz einen seiner Sonderkuriere nach Piedrahita.
Dort lebte Francisco ruhige, freudevolle Wochen. Zwar legte ihm und Cayetana die stille, vornehme Gegenwart des Herzogs Zurückhaltung auf. Aber Don José und die alte Marquesa sahen offenbar in Cayetana ein anmutiges, verspieltes Kind, dessen Launen sie, auch wenn sie weit gingen, freundlich hinnahmen, und sie ließen die beiden allein, soviel sie wollten.
Zwei- oder dreimal in der Woche machte der Herzog Musik. Die Marquesa hörte aufmerksam und bewundernd zu, doch sichtlich nur aus Liebe zu ihrem Sohn. Francisco aber und Cayetana hatten Sinn nur für volkstümliche Lieder und Tänze, für Tonadillas und Seguidillas, und des Herzogs Harmonien waren ihnen zu erlesen. Der einzige, der sie verstand, war Doktor Peral.
Don José bat Francisco, ihn zu malen. Der tat es, zuerst nicht ohne Hemmungen, dann mit wachsendem Interesse, zuletzt mit Eifer. Es entstand das Bild eines sehr vornehmen, etwas schwermütigen Herrn mit schönen, großen, nachdenklichen Augen, dem man die Passion für sein Klavizimbel und seine Noten sehr wohl zutraut.
Goya malte auch die Marquesa, und während er sie malte, lernte er sie tiefer verstehen. Sie war die große Dame, die er von Anfang an in ihr gesehen hatte, gleichmäßig heiter und liebenswert, aber jetzt sah er die leise Melancholie auf ihrem schönen, noch nicht alten Gesicht. Sicherlich verstand und vergab sie die Art, wie die Frau ihres Sohnes lebte, doch hielt Doña María Antonia, die Witwe des Zehnten Marqués de Villabranca,auf Würde, und zuweilen glaubte Goya aus ihren Worten eine kaum merkbare Besorgnis herauszuhören, daß die Leidenschaft Cayetanas tiefer und gefährlicher sein könnte, als sich ziemte; ihre Worte klangen ihm wie eine Warnung, und ihr Porträt ging ihm nicht so flink von der Hand, wie er erwartet hatte.
Schließlich aber war es
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