Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Hochmut, der dem der Alba nicht nachstand. Agustín freute sich seines Freundes.
Fortan legte es Cayetana darauf an, die Königin noch bitterer zu ärgern als bisher. Sie hatte etwa erfahren, daß sich María Luisa aus Paris ein besonders kühnes Kleid verschrieben hatte. Sie verschaffte sich das Modell, und am Tage nach dem Empfang, bei welchem María Luisa dieses Kleid getragen hatte, erschienen auf der Promenade des Prado zwei Wagen des Hauses Alba mit Zofen Cayetanas, genauso gekleidet wie am Tag vorher die Königin. Man lachte, María Luisa ärgerte sich, doch kaum so sehr, wie Cayetana es gehofft hatte. Die alte Marquesa fand den Scherz nicht sehr glücklich; noch weniger glücklich fand ihn Francisco.
Doch sein Tadel schmolz vor ihrem
Anblick, ihrer Luft und ihrem
Kindlich damenhaften Wesen.
Stark wie je verspürte er sein
Glück; doch auch die Drohung wuchs, die
Tief untrennbar beigemischt war
Diesem Glücke.
19
Um jene Zeit brach in Madrid eine Seuche aus, eine Halskrankheit, die vornehmlich Kinder ergriff. Im Anfang war es eine Art Mandelentzündung. Die Halsdrüsen der Kinder waren geschwollen, bald konnten sie nur mehr unter Beschwerden schlucken und schlingen. Später wurde der Puls klein, der Herzschlag schwach, aus der Nase drang eine mißfarbene, übelriechende Flüssigkeit. Die befallenen Kinder litten unter steigender Atemnot, drohten zu ersticken. Viele starben.
Von den drei Kindern Goyas erkrankte Mariano, dann das jüngste, die kleine Elena.
Francisco, wiewohl er nur störte, konnte sich nicht trennen von dem Bett der leidenden, um Atem kämpfendenElena. Mit steigendem Schreck nahm er wahr, wie die Not des Kindes wuchs. Er hatte vom ersten Augenblick an gewußt, daß jener die Dämonen herausfordernde Brief, durch den er die erste Nacht mit der Alba erkauft hatte, sich rächen werde.
Doktor Gallardo, der Familienarzt, verordnete heiße Getränke und Packungen, später, als das Fieber stieg, kalte Bäder. Er zitierte den Hippokrates. Tat sicher und tappte offenbar im dunkeln.
Goya nahm seine Zuflucht zu religiösen Mitteln. Papierstreiflein, welche der »Heiligen Jungfrau zur Genesung« geweiht waren und die Anrufung enthielten: »Salus infirmorum – Retterin der Kranken«, wurden zu kleinen Kugeln gerollt und den Kindern in einem Glase Wasser zu trinken gegeben. Es war ein schlechtes Zeichen, daß sie sie nicht schlucken konnten. Für Elena borgte Francisco um viel Geld aus dem Kloster, in dem sie verwahrt wurde, eine Decke, welche Teile des Kleides ihrer Schutzheiligen enthielt, um die Kranke hineinzuhüllen.
Er erinnerte sich, was alles man unternommen hatte, als Josefa mit diesem Kinde schwanger war. Wie man Bilder des Heiligen Raimundus Nonnatus und des Heiligen Vincente Ferrer ins Haus gebracht und die Nothelfer dringlich gebeten hatte, sie möchten der Schwangeren die Stunde der Entbindung kurz und leicht machen. Und wie man dann fröhlich hinausgewallfahrtet war zu San Isidro, um ihm und den andern Heiligen zu danken, weil alles gut gegangen war. Es wäre auch weiter gut gegangen, wenn nicht er selber frevlerisch das Kind den finstern Mächten geopfert hätte.
Er lief hinaus in die Vorstadt Atocha und klagte sich an vor der Virgen de Atocha. Um seiner Lust willen hatte er das Kind verraten. Er bereute und flehte sie an, seine Reue anzunehmen und ihm zu helfen. Er beichtete vor einem unbekannten, bäurisch und stumpf aussehenden Priester. Er hoffte, der werde nicht begreifen, was er zu gestehen hatte, aber er schien es zu begreifen. Er war mild. Er legte ihmFasttage auf, viele Vaterunser und verbot ihm weiteren Ehebruch mit der Frau. Goya gelobte, seine Augen nicht mehr zu verunreinigen am Anblick der Hexe und Hure Cayetana.
Er wußte, das alles war Wahnsinn. Er befahl sich, seine wilden Gefühle durch Vernunft zu bändigen. Wenn man die Vernunft schlafen ließ, dann stürzten Träume über einen her, wüste Träume, fledermausflügelige, katzengesichtige Ungeheuer von Träumen. Er mußte seinen Wahnsinn in sich einschließen, ihn zähmen, verkapseln, er durfte ihn nicht ausbrechen, ihn nicht laut werden lassen. Er schwieg auch, schwieg vor Agustín, Miguel, Josefa. Aber er schrieb dem Freunde Martín Zapater. Schrieb ihm, wie er damals die verfluchte, sündhafte Ausrede ersonnen habe um seiner Lust willen, und wie nun die Teufel seine Lüge wahr gemacht hätten, und wie er schuld sei an der todgefährlichen Erkrankung seines lieben Kindes, und wie er wisse, daß das alles
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