Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
spielten, erklärt hatte: »Gezahlt hab ich für diese Fontänen fünf Millionen, amüsiert haben sie mich für fünf Minuten.«
Goya konnte es nicht ertragen, mit den Damen und Herren des Hofes zusammenzusein, und die Gesellschaft Manuels und Pepas verdroß ihn. Aber wenn er allein war inmitten des steifen, hellen, errechneten, widerwärtig französischen Prunkes, dann, sosehr er sie fernzuhalten suchte, überfielen ihn Gedanken an Cayetana. Gegen alle Vernunft nahm er an, Cayetana werde ihm schreiben, ihn zurückrufen. Es war nicht denkbar, daß es zwischen ihnen aus sein sollte; sie war gebunden an ihn, er an sie.
Er sehnte sich fort aus San Ildefonso; ihm war, als werde er in seinem Madrider Atelier mehr Ruhe finden. Allein die Arbeit an dem Porträt zog sich hin. María Luisa, ebenso nervös wie er selber, sagte vereinbarte Sitzungen immer häufiger ab.
Dann kam ein Ereignis, welches die Vollendung des Werkes um weitere Wochen hinauszögerte.
In Parma nämlich war ein kleiner Vetter der Königin gestorben, und da ihr daran lag, die Würde und Hoheit der großherzoglichen Familie, der sie entstammte, zu betonen, wurde über die Erfordernisse des Zeremoniells hinaus Hoftrauer für den kleinen Prinzen angeordnet, und das bedeutete, daß die Porträtsitzungen von neuem unterbrochen wurden. Goya bat in einer Eingabe, nach Madrid zurückkehren zu dürfen; das Porträt sei so gut wie fertig, er könne das Fehlende in Madrid ergänzen. Er erhielt den dürren Bescheid, Ihre Majestät wünsche, daß er die Arbeit hier vollende. Es könne ihm in etwa zehn Tagen eine neue Sitzung bewilligt werden, und er möge sich schwarze Kleidung aus Madrid kommen lassen.
Da man in Madrid vergaß, ihm schwarze Strümpfe mitzuschicken, erschien er, als er endlich wieder zu einer Sitzung befohlen wurde, in grauen Strümpfen. Der Marqués de la Vega Inclán ließ ihn bedeuten, er könne so nicht vor das Angesicht der Majestät treten. Goya, erbittert, ging zurück in sein Appartement, zog weiße Strümpfe an, malte mit Tusche einen Mann auf den rechten Strumpf, der eine verdächtige Ähnlichkeit mit dem Hofmarschall hatte, auf den linken diePhysiognomie eines zweiten, dem Marqués im Temperament verwandten Kämmerers. Frech und grimmig ließ er sich diesmal nicht aufhalten und drang zu María Luisa vor. Er fand sie in Gesellschaft des Königs. Dieser begriff nicht und fragte, etwas ungehalten: »Was haben Sie da für merkwürdige, unziemliche Männerchen auf den Strümpfen?« Goya, Finsternis auf dem massigen Gesicht, antwortete: »Trauer, Majestät, Trauer.« María Luisa lachte schallend.
Er arbeitete eine weitere Woche. Dann war das Porträt fertig. Er trat zurück. »Königin Doña María Luisa als Maja in Schwarz«, stellte er seine Königin der Königin in Fleisch und Blut vor.
Da steht sie, in einer natürlichen und gleichzeitig repräsentativen Haltung, Maja und Königin. Die Augen über der Raubvogelnase sind gescheit und gierig, die Lippen über dem harten Kinn hält sie verpreßt, wegen der diamantenen Zähne. Das ganze geschminkte Gesicht ist voll von Wissen, Gier und Gewalttätigkeit. Die Mantilla, von der Perücke fallend, ist über der Brust gekreuzt, jung und tief entblößt lockt der Halsausschnitt, fleischig und wohlgeformt sind die Arme, die linke, beringte Hand fällt lässig herab, die rechte hält über der Brust den winzigen Fächer geschlossen, in der Geste des Lockens und Abwartens.
Goya hatte sich bemüht, nicht zuviel zu malen und nicht zuwenig. Seine Doña María Luisa war häßlich, aber er hatte diese Häßlichkeit lebendig gemacht, schimmernd, beinahe anziehend. Er hatte ihr eine bläulichrote Schleife ins Haar gegeben, und das Licht dieser Schleife machte das stolze Schwarz der Spitzen leuchten. Er hatte ihr goldene Schuhe gegeben, die glänzend aus dem vielen Schwarz herauskamen, und er hatte das Ganze getönt durch den matten Schimmer des Fleisches.
Die Königin fand nichts mehr, was sie hätte aussetzen können. Sie erklärte in schmeichelhaften Worten ihre Befriedigung und forderte Goya auf, noch hier in San Ildefonso selber zwei Kopien anzufertigen.
Ehrerbietig, aber entschieden lehnte er ab. Wenn er soviel ernsthaftes Bemühen an ein Werk gewandt habe, könne er’s nicht kopieren. Doch wolle er von seinem Mitarbeiter Don Agustín Esteve, dessen Geschick und Zuverlässigkeit Doña María Luisa kenne, die gewünschten Kopien anfertigen lassen.
Endlich konnte er nach Madrid.
Aber es ging ihm
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